
Dezember: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – EG 1
Auslegung von Reinhard Ellsel
Es ist Advent. Bald feiern wir das Weihnachtsfest. Wir staunen darüber, dass der König aller Könige, der Schöpfer der Welt, ein kleines Kind wird. Gott wird Mensch, damit auch wir menschlich werden. Gott kommt zu uns, damit wir zu ihm kommen können. Sind wir dazu bereit?
Ich möchte mit Ihnen über Worte aus Psalm 24 nachdenken:
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, /
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? /
Es ist der HERR, stark und mächtig,
der HERR, mächtig im Streit.
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, /
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? /
Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre.
(Psalm 24,7-10)
„Machet die Tore weit …“ – Gottes Geist spricht uns so an: Nicht eng und enger soll unser Leben werden, sondern weit und weiter! Gottes Geist spricht uns so an mitten in der Enge und in den Ängsten unseres Lebens. Wir erfahren es ja tagtäglich durch unsere Medien, wie eng unsere Welt ist: Wir sehen die Bilder von Krieg, von Terroranschlägen und Naturkatastrophen. Wir hören von Klimawandel und Hunger. Und unmittelbar bei uns selbst erleben wir herbe Enttäuschungen, Einsamkeit, Krankheit und Angst.
Ja, wir haben es bitter nötig, dass wir von Gottes Geist ergriffen und ermutigt werden: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ Gott selbst, der Schöpfer des Himmels und der Erde, will in unser enges Leben einziehen, es weit machen, es gestalten und segnen.
Die Frage ist: Sind wir bereit, die Türen unserer Herzen für diesen König zu öffnen? Oder haben wir die Tore unserer Seelen für Gott verschlossen?
Diesen Fragen ist schon vor einigen hundert Jahren der Königsberger Pfarrer Georg Weissel nachgegangen. 1623 hat er das bekannte Adventslied gedichtet: „Macht hoch die Tür …“. Dabei verwendete er die Gedanken und Worte aus Psalm 24.
Es wird erzählt, dass der Auslöser für dieses Lied ein starker Wintersturm gewesen sein soll. Pfarrer Weissel hatte in der Nähe des Königsberger Doms zu tun. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht und wollte ihm fast den Atem rauben. Er strebte dem Dom zu, um dort unter dem Portal Schutz zu finden. Die Augen fest auf die Tür geheftet, erreichte er die breite Treppe. In diesem Augenblick öffnete sich das Portal und der freundliche Glöckner machte mit einer leichten Verbeugung eine einladende Geste: „Willkommen im Hause des Herrn. Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner. Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.“ Weissel schüttelte den Schnee vom Mantel und klopfte dem Glöckner auf die Schulter: „Eben hat er mir eine ausgezeichnete Predigt gehalten.“ Bis sich das Unwetter gelegt hatte, soll in ihm das Lied entstanden sein: „Macht hoch die Tür ...“.
EG 1,1
1. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
Georg Weissel bezieht die Aussagen des 24. Psalms direkt auf uns. Nicht nur die Tore von Tempeln und die Türen von Kirchen sollen sich öffnen. Wir selbst sollen uns öffnen, damit Gott Mensch werden kann in dieser Welt, die aus so vielen Wunden blutet. Wir selbst nämlich sind die Kirche oder wie der Apostel Paulus sagt: „Ein Tempel des Heiligen Geistes“. (1. Korinther 6,19)
Weissel geht der zweimaligen Frage aus Psalm 24 nach: „Wer ist der König der Ehre?“ Und die Antwort, die er gibt, ist gut biblisch: Der König der Ehre ist Gott; Gott, der Vater; Gott, der Sohn; und Gott, der Heilige Geist. Die erste Strophe lobt Gott, den Schöpfer; die zweite Strophe lobt Jesus Christus, den Heiland, und die dritte Strophe den Heiligen Geist und Tröster.
Mit den Strophen zwei bis vier versetzt uns Weissel zugleich in die neutestamentliche Szene hinein, die den Einzug Jesu in Jerusalem schildert. (Matthäus 21,1-9)
EG 1,2-4
2. Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit;
all unsre Not zum End er bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Heiland groß von Tat.
3. O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.
4. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
eu`r Herz zum Tempel zubereit`.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.
Auf das Kommen dieses Königs können wir uns freuen. Denn da kommt kein Gewaltherrscher, sondern einer der Frieden bringt. Wir staunen über die Allmacht Gottes, der die Welt geschaffen hat. Und doch gebraucht Gott seine Macht nur, um uns und seiner Schöpfung zu helfen. Deutlich geworden ist dies ein für allemal in seinem Sohn Jesus Christus. Gottes Kommen tut uns gut. So dichtet Weissel von diesem König: „Es kommt ein Heiland aller Welt zugleich, / der Heil und Leben mit sich bringt.“ Und: „Er ist die rechte Freudensonn, / bringt mit sich lauter Freud und Wonn.“
In unserem Herzen will Gott zur Welt kommen. Und es erfüllen mit Frieden und Wärme, mit Weite und Gelassenheit. Machen wir unsere Herzen dafür weit auf! Das wir das so nötig haben, zeigt ein kleines Rechenbeispiel: Wenn wir uns 16 Stunden am Tag Gedanken über Hinz und Kunz machen und nur fünf Minuten über Gott, dann müssen uns Hinz und Kunz als eine zweihundert mal größere Realität erscheinen als Gott.
Deshalb die wichtige Frage: Wofür öffnen wir unser Herz? Womit beschäftigen sich unsere Gedanken? Es kommt darauf an, dass wir in dieser hektischen Zeit unseren inneren Menschen stärken, unser Herz, unsere Seele. Damit wir nicht konfus werden.
EG 1,5
5. Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.
Ich schließe mit einem Brief, den das Kind Anna an Gott schreibt. Dieser Brief steht in dem Buch „Anna schreibt an Mister Gott“.
Anna staunt immer wieder neu über Gott, der unendlich groß und weit weg ist und ihr doch zugleich liebevoll nah. Anna schreibt:
„Lieber Mister Gott!
Die Leute sagen, Du bist so was wie ein König. Nur, wenn ein König in unsere Straße kommt, dann weiß der bestimmt nicht, wo ich wohne. Aber ich glaub, Du weißt das. Du hast keine Krone auf`m Kopf, dafür kennst Du jeden ganz genau. Sogar den Leberfleck auf meiner Backe kennst Du, wetten? Und wenn ich die Hände nicht gewaschen hab, weißt Du das bestimmt auch. So genau guckst Du Dir jeden an.
Ein König würd nie so genau hingucken. Die Arbeit macht der sich nicht. Nur Du machst Dir mit mir so viel Arbeit ...“
Darum: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“