
Februar: Nun freut euch, lieben Christen g`mein – EG 341
Auslegung von Reinhard Ellsel
Wann haben Sie sich einmal so sehr gefreut,
dass Sie deswegen singen und einen Luftsprung machen konnten?
Wenn man eine Prüfung bestanden hat.
Wenn man über beide Ohren verliebt ist.
Nach der Geburt von Kindern.
Wenn endlich die Schmerzen überstanden sind, und das kleine Baby ist da, und alles ist gesund: Das treibt einem vor Freude die Tränen in die Augen, und man möchte singen und springen.
Ich möchte mit Ihnen über ein Lied von Martin Luther nachdenken: „Nun freut euch, lieben Christen g`mein“.
In diesem Lied besingt er seine reformatorische Erkenntnis: Gott nimmt uns so an, wie wir sind. Mit allen Ecken und Macken. Als Luther dies nach langem inneren Kampf endlich klar geworden war, da fühlte er sich wie neu geboren.
Mit dem Untertitel „Ein Danklied für die höchsten Wohltaten, so uns Gott in Christo erzeigt hat“, hat Luther das Lied 1523 veröffentlicht. Auch die freudig hüpfende Melodie stammt von ihm.
Das Lied erzählt sein eigenes Erlebnis. Doch so, dass wir alle uns mit unserer persönlichen Geschichte da einfädeln können.
EG 341,1
1.
Nun freut euch, lieben Christen g'mein,
und lasst uns fröhlich springen,
dass wir getrost und all in ein
mit Lust und Liebe singen,
was Gott an uns gewendet hat
und seine süße Wundertat;
gar teu'r hat er's erworben.
Am 10. November 1483 ist Martin Luther geboren. Im Jahre 1505 wurde sein Leben gründlich umgekrempelt. Der Student der Jurisprudenz war auf den Feldern von Stotternheim in ein gewaltiges Gewitter geraten. Ein Blitz schlug dicht neben ihm ein. Entsetzt rief er aus: „Hilf, du heilige Anna, ich will ein Mönch werden!“
Luther war in der damaligen katholischen Frömmigkeit beheimatet und er löste sein Gelöbnis ein. Zum Ärger des Vaters brach er sein Jurastudium ab. Er wurde Mönch und studierte Theologie.
Allerdings: die Freude an der Frohen Botschaft hatte ihn damals nicht ins Kloster geführt. Es war vielmehr die nackte Angst. Luther hatte große Angst vor einem furchtbar gerechten Gott. Vor diesem Gott würde auch er eines Tages Rechenschaft ablegen müssen. Wie sollte er da bestehen können? Und immer wieder klopfte ihm sein erschrockenes Gewissen bis zum Hals, wenn er in der Bibel vom „gerechten Gott“ las.
Luther erinnert sich: „Ich aber liebte den gerechten und die Sünder strafenden Gott nicht, ja ich hasste ihn; denn ich fühlte mich, so sehr ich auch immer als untadeliger Mönch lebte, vor Gott als Sünder mit einem ganz und gar ruhelosen Gewissen. Ich konnte das Vertrauen nicht aufbringen, er sei durch meine Genugtuung (das heißt: durch meine Bußleistung) versöhnt. So zürnte ich Gott, wenn nicht in geheimer Lästerung, so doch mindestens mit gewaltigem Murren.“
Luther saß einem verkehrten Gottesbild auf, wie es auch heute noch manche Menschen haben. Sie sehen in Gott so eine Art Polizisten, der ständig ihr Leben kontrolliert. Das kennen Sie vielleicht auch: Sie sind mit dem Auto unterwegs und sehen plötzlich im Rückspiegel die Polizei. Sofort schaut man auf seine Geschwindigkeit. Bin ich eigentlich angeschnallt?
Naja, und wenn nun Gott argwöhnisch unser Leben kontrollierte, auch unsere geheimsten Gedanken und, und, und ...
Und uns darauf festnageln würde ...
Luther fragte: Wie kann ich vor diesem Gott zur Ruhe kommen und Frieden finden? Und seine selbstquälerische Antwort war: Gar nicht. Ich bin nicht so, wie ich sein sollte. Für mich kommt nur eine ewige Strafe in Betracht. Luther lebte in ständiger Angst.
EG 341,2.3
2. Dem Teufel ich gefangen lag,
im Tod war ich verloren,
mein Sünd mich quälte Nacht und Tag,
darin ich war geboren.
Ich fiel auch immer tiefer drein,
es war kein Guts am Leben mein,
die Sünd hatt' mich besessen.
3. Mein guten Werk, die galten nicht,
es war mit ihn' verdorben;
der frei Will hasste Gotts Gericht,
er war zum Gutn erstorben;
die Angst mich zu verzweifeln trieb,
dass nichts denn Sterben bei mir blieb,
zur Höllen musst ich sinken.
Doch endlich, nach langem Ringen, platzt bei Luther der Knoten. „Unter Gottes Erbarmen“, wie er schreibt, wird ihm beim Lesen der Bibel plötzlich klar, was es mit der Gerechtigkeit Gottes auf sich hat.
Im Römerbrief las er (Röm 1,17): „Die Gerechtigkeit Gottes wird im Evangelium offenbar.“
„Gerechtigkeit Gottes“ und Evangelium, Frohe Botschaft und Gottes Wesen müssen doch irgendwie zusammen hängen. Allmählich lernte Luther die Gerechtigkeit Gottes zu verstehen „als die Gerechtigkeit, in der der Gerechte durch Gottes Geschenk lebt, und zwar aus Glauben“ – Glaubensgerechtigkeit.
„Der aus Glauben Gerechte wird leben“, heißt es bei Paulus. (Röm 1,17) Das heißt: Die Gerechtigkeit Gottes ist die Gerechtigkeit, „die uns gerecht macht durch den Glauben.“ Durch den Glauben an Jesus Christus, der für unsere Sünden an unserer Stelle am Kreuz gestorben ist, nimmt uns Gott sozusagen das alte Kleid unserer Schuld und Sünde ab. Gleichzeitig kleidet er uns in das neue Kleid seiner Güte und Liebe.
„Gerechtigkeit Gottes“ bedeutet also: Ich bin Gott recht. Weil ich an Jesus Christus glaube, richtet Gott mich auf und nicht zugrunde. Er macht mich zu einem gerechten Menschen. Das ist Evangelium pur!
Luther erinnert sich: „Hier fühlte ich mich völlig neugeboren und als wäre ich durch die geöffneten Pforten ins Paradies selbst eingetreten. Da zeigte mir sogleich die ganze Schrift ein anderes Gesicht.“
Endlich hatte Luther verstanden, dass Gott gar nicht gegen ihn war, sondern für ihn. Alles, was Gott hat und ist, setzt er für uns ein. Luther hatte sich immer ängstlich gefragt: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Was muss ich noch alles richtig machen?“ Doch längst schon hatte sich Gott gefragt: „Wie bekomme ich den Martin Luther? Wie kann ich ihm meine Liebe richtig deutlich machen?“
EG 341,4.5
4. Da jammert Gott in Ewigkeit
mein Elend übermaßen;
er dacht an sein Barmherzigkeit,
er wollt mir helfen lassen;
er wandt zu mir das Vaterherz,
es war bei ihm fürwahr kein Scherz,
er ließ' s sein Bestes kosten.
5. Er sprach zu seinem lieben Sohn:
„Die Zeit ist hier zu erbarmen;
fahr hin, meins Herzens werte Kron,
und sei das Heil dem Armen
und hilf ihm aus der Sünden Not,
erwürg für ihn den bittern Tod
und lass ihn mit dir leben.“
![]() |
Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
![]() |
Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
Gott wird von sich aus aktiv, um uns aus allen Verstrickungen und Ängsten zu befreien: „Da jammert Gott in Ewigkeit, / er wollt mir helfen lassen“. Und wir erfahren, dass Gott seinen einzigen Sohn beauftragt, uns Menschen zu erlösen. Gott wird Mensch und stellt sich in Jesus auf unsere Seite.
Als Bruder steigt Jesus an unserer Stelle sozusagen in den „Ring“: Für uns wird er mit dem Teufel einen Kampf auf Leben und Tod bestreiten. Luther erzählt von diesen siegreichen Kampf anhand der christlichen Feste: Weihnachten, Karfreitag und Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten.
EG 341,6-9
6. Der Sohn dem Vater g'horsam ward,
er kam zu mir auf Erden
von einer Jungfrau rein und zart;
er wollt mein Bruder werden.
Gar heimlich führt er sein Gewalt,
er ging in meiner armen G'stalt,
den Teufel wollt er fangen.
7. Er sprach zu mir:
„Halt dich an mich,
es soll dir jetzt gelingen;
ich geb mich selber ganz für dich,
da will ich für dich ringen;
denn ich bin dein und du bist mein,
und wo ich bleib, da sollst du sein,
uns soll der Feind nicht scheiden.
8. Vergießen wird er mir mein Blut,
dazu mein Leben rauben;
das leid ich alles dir zugut,
das halt mit festem Glauben.
Den Tod verschlingt das Leben mein,
mein Unschuld trägt die Sünde dein,
da bist du selig worden.
9. Gen Himmel zu dem Vater mein
fahr ich von diesem Leben;
da will ich sein der Meister dein,
den Geist will ich dir geben,
der dich in Trübnis trösten soll
und lehren mich erkennen wohl
und in der Wahrheit leiten.
„Halt dich an mich“, lässt Luther Jesus zu uns sagen. Denn immer wieder werden wir im Leben in Situationen geraten, wo wir nicht weiter wissen, wo wir im Finstern tappen, wo wir Angst haben, wo wir sozusagen im „Schwitzkasten des Teufels“ sind.
„Halt dich an mich,
denn ich bin dein und du bist mein,
und wo ich bleib, da sollst du sein,
uns soll der Feind nicht scheiden.“
Das sind starke Worte - Worte, die uns Mut machen und es wieder hell in unserem Leben. Luther verwendet hier eine uralte Verlöbnisformel zwischen Mann und Frau: „Ich bin dein / und du bist mein, / des sollst du gewiss sein!“
Wo aber legt sich Gott bzw. Jesus denn so auf uns fest, dass uns nichts und niemand von ihm scheiden kann? Das geschieht bei unsrer Taufe. Da sagt er ein für allemal „Ja!“ zu uns. Darauf dürfen wir uns verlassen.
Wer getauft ist, für den gilt, was der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt (Röm 8,38.39): „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
EG 341,10
10. Was ich getan hab und gelehrt,
das sollst du tun und lehren,
damit das Reich Gotts wird gemehrt
zu Lob und seinen Ehren;
und hüt dich vor der Menschen Satz,
davon verdirbt der edle Schatz:
das lass ich dir zur Letze.“
Schließlich bekommen wir einen Auftrag: „Was ich getan hab und gelehrt, / das sollst du tun und lehren.“ Diese Worte erinnern an den Missionsbefehl, den Jesus seinen Jüngern gegeben hat (Mt 28,18-20). Gottes Reich soll sich ausbreiten „zu Lob und seinen Ehren.“ Und das geschieht nicht zuletzt dadurch, dass wir die Freude über Gott in unserem Leben bewahren und an andere weitergeben. Zum Beispiel dadurch, dass wir Gottesdienst feiern und fröhlich singen, weil Gott uns so annimmt, wie wir sind.
Martin Luther schreibt in einer Vorrede zu einem Gesangbuch (1545): „Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünde, Tod und Teufel. Wer solches mit Ernst glaubet, der kann´s nicht lassen, er muss fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herzukommen.“
Lassen Sie uns also – zumindest im Herzen: „fröhlich springen, und mit Lust und Liebe singen.“