
Januar: Jesus ist kommen – EG 66
Auslegung von Reinhard Ellsel
1. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude;A und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel und Erde, erzählet's den Heiden:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.
Stricke des Todes, die reißen entzwei.
Unser Durchbrecher ist nunmehr vorhanden;
er, der Sohn Gottes, der machet recht frei,
bringet zu Ehren aus Sünde und Schande;
Jesus ist kommen, nun springen die Bande.
bricht dem gewappneten Starken ins Haus,
sprenget des Feindes befestigte Schlösser,
führt die Gefangenen siegend heraus.
Fühlst du den Stärkeren, Satan, du Böser?
Jesus ist kommen, der starke Erlöser.
Während meines Vikariats in Lüdenscheid feierte ich viele Gottesdienste in der Christuskirche mit.
Die Lüdenscheider Christuskirche ist eine Kirche im neugotischen Stil. Sie wurde 1902 eingeweiht und ist mit ihren 1.200 Sitzplätzen die größte im Märkischen Kreis.
Über dem Altarraum spannt sich ein riesiger Triumphbogen. Und auf diesem Bogen stehen die Worte: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Es sind Worte aus dem Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 8.
Wir sind dazu eingeladen, dass wir unser Leben führen unter dem weiten Bogen, den Jesus Christus für uns gespannt hat. Jesus Christus, so staunt der Hebräerbrief, ist vor aller Zeit. Er, der Sohn Gottes, hat die Welt mit geschaffen. Jesus Christus ist in aller Zukunft. Er regiert mit dem Vater und dem Heiligen Geist in Ewigkeit. Und Jesus Christus ist heute in unserer Mitte. Er lebt und möchte unsere Herzen regieren.
„Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Ich darf mein Leben unter diesem weiten Bogen gestalten. Meine Vergangenheit ruht bei Jesus in guten Händen. Wir Christen brauchen uns nicht wund zu reiben an Fehlern, die wir in der Vergangenheit begangen haben. Wir können das mit Jesus besprechen, ihn um Vergebung bitten und als Versöhnte leben. Unsere Vergangenheit: Dazu gehört ja auch all das, was uns mit in die Wiege gelegt worden ist. Mancher reibt sich daran wund, dass er nicht clevererer, nicht stärker, nicht erfolgreicher ist. Nicht jeder hatte ein gutes Elternhaus. Aber wir Christen leben unter einem Triumphbogen. Wir sind reich. In der Nachfolge von Jesus stehen wir auf der Seite des Siegers. Deshalb können wir uns auch mit uns selbst und mit unserem Elternhaus versöhnen.
Außerdem darf ich wissen, dass auch meine Zukunft in den starken Händen von Jesus ruht. Ich brauche nicht in Heidenangst darüber zu versinken, was noch alles auf mich zukommen mag. Mein irdisches Leben hat ein klares Ziel: das ewige Leben mit Jesus Christus in Gottes ewigem Reich. Das gibt mir Kraft für heute. Jesu Kraft erfüllt mich durch seinen Geist.
Kurz vor Heiligabend besuchte ich eine Frau aus unserer Gemeinde im Krankenhaus. Sie ist schon über 90 Jahre alt und es geht ihr gar nicht gut. Aber sie sprach nur davon, wie dankbar sie sei, dass sie ihr ganzes Leben mit diesem Stern habe führen können, der zu Weihnachten geboren ist. Und sie freue sich darauf, Jesus bald selbst zu sehen. Vor ein paar Tagen, so erzählte sie mir, sei eine Krankenschwester an ihr Bett gekommen und wollte mit ihr Weihnachten feiern. Und sie sang einige Lieder wie „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen“ oder „Leise rieselt der Schnee ...“.
Als die Kranke nicht mit sang, fragte die Schwester nach, ob sie denn die Lieder nicht kenne. „Doch, doch ...“, antwortete sie: „Als meine Kinder klein waren, haben wir das wohl manchmal gesungen. Aber wissen Sie: Ich bin Christ. Ich brauche einen anderen Trost als dieses süßliche Zeugs.“ Immer noch ein wenig ärgerlich fragte mich die Frau: „Was soll dieser sentimentale Quatsch?“ Wir haben gebetet und ich habe sie gesegnet.
„Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Diese Worte sind so etwas wie "Schwarzbrot" für unsere Seelen. Sie geben uns Halt und Orientierung. Und wir wollen danach fragen, wer Jesus für uns persönlich ist. Wir müssen im persönlichen Herzenskontakt mit Jesus sein, damit er uns heute die Hände füllen kann. Nur so können wir auch unsere eigene Sprache finden und anderen glaubwürdig bezeugen, dass auch sie ihr Leben unter dem weiten Bogen führen können, den Jesus Christus für uns gespannt hat.
Das Lied „Jesus ist kommen“ soll uns dabei helfen. Die ersten drei Strophen haben diese Andacht schon eröffnet.
EG 66,4-9
4. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude;A und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel und Erde, erzählet's den Heiden:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.
Stricke des Todes, die reißen entzwei.
Unser Durchbrecher ist nunmehr vorhanden;
er, der Sohn Gottes, der machet recht frei,
bringet zu Ehren aus Sünde und Schande;
Jesus ist kommen, nun springen die Bande.
bricht dem gewappneten Starken ins Haus,
sprenget des Feindes befestigte Schlösser,
führt die Gefangenen siegend heraus.
Fühlst du den Stärkeren, Satan, du Böser?
Jesus ist kommen, der starke Erlöser.
komme, wen dürstet, und trinke, wer will!
Holet für euren so giftigen Schaden
Gnade aus dieser unendlichen Füll!
Hier kann das Herze sich laben und baden.
Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden.
8. Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
Hochgelobt sei der erbarmende Gott,
der uns den Ursprung des Segens gegeben;
dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod.
Selig, die ihm sich beständig ergeben!
Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
9. Jesus ist kommen, sagt's aller Welt Enden.
Eilet, ach eilet zum Gnadenpanier!
Schwöret die Treue mit Herzen und Händen.
Sprechet: wir leben und sterben mit dir.
Amen, o Jesu, du wollst uns vollenden.
Jesus ist kommen, sagt's aller Welt Enden.
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
Ich mag dieses Lied sehr. Klar und deutlich sagt es, was wichtig ist im christlichen Glauben. Es nordet ein. Es weist uns ganz zentral zu Jesus, entsprechend den Worten aus dem Hebräerbrief: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“
Gedichtet hat das Lied 1736 Johann Ludwig Konrad Allendorf. Er war damals evangelischer Pfarrer in Köthen. Seinem Text legte er eine schwungvolle Melodie zu Grunde, die ein paar Jahre älter war. Um die 130 Lieder hat Allendorf insgesamt gedichtet. Einzig „Jesus ist kommen“ hat die Jahrhunderte überdauert und wird noch heute gesungen – und das mit Recht.
„Jesus ist kommen“: das ist geradezu ein „Werbelied“ für den Glauben an Jesus. Es gibt wohl kaum ein Lied, in dem der Jesus-Name so häufig vorkommt – gerade auch durch die stetige Wiederholung von erster und letzter Zeile, in denen Aussagen über Jesus gemacht werden. Dabei wirkt das Lied aber nicht statisch oder dogmatisch steril. Das Lied ist sehr dialogisch.
Staunend wird Gott, der Schöpfer, angesprochen: „Wie kommst du uns Menschen so nah!“ Himmel und Erde werden in dieses Gespräch mit einbezogen: „Erzählet's den Heiden“ und „Rühmt seine Gewalt!“ Sogar dem Satan wird entgegen geschleudert, wer Jesus ist: „Fühlst du den Stärkeren, Satan, du Böser? Jesus ist kommen, der starke Erlöser.“
Mit vielen Appellen versucht der Dichter, auch uns hineinziehen in den Glauben an Jesus: „Ach höret's doch ja nicht vergebens!“ Seinen dialogischen Höhepunkt findet das Lied in der letzten Strophe: „Jesus ist kommen, sagt's aller Welt Enden. Eilet, ach eilet zum Gnadenpanier! Schwöret die Treue mit Herzen und Händen. Sprechet: wir leben und sterben mit dir. Amen, o Jesu, du wollst uns vollenden. Jesus ist kommen, sagt's aller Welt Enden.“
Und das ist nun eben auch die Aufgabe für uns: „Sagt's aller Welt Enden“, dass Jesus gekommen ist; dass jeder Mensch sein Leben im Horizont der Größe Jesu führen kann.
Allendorf hat dies mit einer Sprache getan, die ihm vor 275 Jahren zur Verfügung stand – und zwar für Menschen, die vor 275 Jahren lebten. Die Aussagen des Liedes sind für uns heute noch aktuell, weil das Lied voller biblischer Bezüge ist. Alle wichtigen Festtage im Kirchenjahr sind darin zu entdecken, angefangen bei Weihnachten (Strophe 1) über Ostern und Karfreitag (Strophen 4 und 6) und Himmelfahrt und Pfingsten (Strophe 9). Das Lied bezeugt Jesus als den Herrn in dem weiten Horizont der Worte der Hebräerbriefes: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“
Und trotzdem müssen wir heute eine andere Sprache wählen, wenn wir unseren Mitmenschen Jesus verständlich bezeugen wollen. Würden wir beispielsweise jemand mit den Worten ansprechen: „Eile, ach eile zum Gnadenpanier!“ – dann weiß er wahrscheinlich nicht, was wir meinen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir für uns selbst überlegen und in unserer eigenen Sprache formulieren, wer Jesus für uns ist. So bleibt unser Glaube lebendig. So sind wir lebendige Zeugen. Das Lied von Allendorf kann uns dabei aber wichtige Impulse geben. Denn er selbst hat ja für sich auf den Punkt gebracht, was Jesus für ihn bedeutet. Zum Beispiel: „Jesus ist Grund ewiger Freude“; er ist „der starke Erlöser“ und „die Ursach zum Leben“.
Im Bibelgesprächskreis haben wir versucht, für uns selbst auf den Punkt zu bringen, was Jesus für uns bedeutet. Eine Frau sagte: „Jesus ist für mich ein barmherziger Hirte, der mich durch das Leben führt.“ Und dann benannte sie einige Beispiele, wo sie das erlebt hat. Jemand anderes sagte: „Jesus ist für mich vor allen Dingen ein Vergeber der Sünden. Immer wieder bitte ich ihn darum, dass ich mit meinen Fehlern nicht andere behindere, und dass ich mich von dem Fehlverhalten anderer nicht aus dem Gleichgewicht bringen lasse.“
Und ich selbst? Wer ist Jesus für mich? Jesus macht mich zu einem Kind Gottes. Das schenkt mir eine tiefe Geborgenheit und Urvertrauen. Für meine Verhältnisse kann ich zum Beispiel einigermaßen gelassen mit Lob und Kritik aus der Gemeinde umgehen.
Nach dem Weihnachtsfest hörte ich unsere Tochter Johanna singen: „O du fröhliche, o du selige, / o du fröhliche Christenheit.“ Sie wissen: der Text geht ein wenig anders ... Aber unsere Dreijährige sang ihn so vor sich hin. Sie fühlt sich geborgen zu Hause, in unserer Familie. Sie weiß sich geborgen in Gottes Hand.
Diese kindliche Geborgenheit eröffnet Jesus auch mir, so dass auch ich getrost und zuversichtlich nach der Melodie leben kann: „O du fröhliche, o du selige / o du fröhliche Christenheit.“
Überlegen Sie einmal für sich selbst: Wer ist Jesus für mich? Was bedeutet er mir? Wie kann ich anderen davon weiter sagen?
Wir leben unter dem Bogen der unendlichen Liebe von Jesus, der uns zu fröhlichen Kindern Gottes macht: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“