
September: Ins Wasser fällt ein Stein – EG 659
Auslegung von Reinhard Ellsel
Eine Legende erzählt von einem jungen König. Der wollte sein Land gut regieren und war außerdem sehr wissbegierig. Er bat die Weisen seines Landes: „Tragt alles Wissenswerte über das Leben zusammen.“ Die Gelehrten machten sich fleißig an die Arbeit und legten nach 40 Jahren das Ergebnis ihrer Studien in tausend Bänden vor.
Der König war inzwischen 60 Jahre alt. Weil er die tausend Bücher nicht mehr alle lesen könne, bat er die Gelehrten, das Wichtigste herauszuschreiben. Nach weiteren zehn Jahren hatten die Weisen ihre Einsichten in das Leben in hundert Bänden zusammengefasst.
Der König sagte: „Das ist noch zu viel. Mit siebzig Jahren kann ich nicht mehr hundert Bände studieren. Schreibt nur das Allerwichtigste auf!“ Die Gelehrten gingen wieder an die Arbeit und brachten das Allerwichtigste in einem einzigen Buch zusammen. Damit gingen sie zum König.
Doch der lag schon im Sterben und wollte von den Gelehrten nur noch das Wichtigste vom Allerwichtigsten aus ihrer Arbeit erfahren. Da fassten sie es in einem einzigen Satz zusammen und sagten: "Die Menschen leben, suchen das Glück, leiden und sterben; und was wichtig ist und überlebt, ist die Liebe, die empfangen und weiter gegeben wird."
Es bleibt die Liebe, die wir empfangen und weiter gegeben haben. Wie gut, wenn einem das nicht erst am Ende des Lebens klar wird, sondern möglichst früh.
Dafür wirbt auch das Lied „Ins Wasser fällt ein Stein“, dessen deutscher Text von Manfred Siebald stammt. Als Vorlage diente ihm der englische Text des US-Amerikaners Kurt Kaiser, der auch die Melodie komponiert hat. „Pass it on“ war der Originaltitel – auf Deutsch: „Gib es weiter!“
Liebe will weiter gegeben werden, will Kreise ziehen – so wie ein Stein, der ins Wasser fällt. Manfred Siebald dichtet:
EG 659,1
1. Ins Wasser fällt ein Stein,
ganz heimlich, still und leise;
und ist er noch so klein,
er zieht doch weite Kreise.
Wo Gottes große Liebe
in einen Menschen fällt,
da wirkt sie fort
in Tat und Wort
hinaus in unsre Welt.
Wir Christen sind davon überzeugt, dass Gott der „Erfinder“ der Liebe ist. Ja, noch viel mehr: Gott selbst ist das Urbild und Vorbild für alle menschliche Liebe. Das ist gut zu wissen. Denn jeder Mensch sehnt sich nach Liebe. Danach, dass er so gemocht und angenommen wird, wie er ist. Danach, dass einer zu ihm sagt: „Schön, dass es dich gibt!“ Erfüllt wird unsere Sehnsucht nach Liebe aber unter uns Menschen oft nur sehr bruchstückhaft. Gott aber ist die Liebe schlechthin. Bei Gott finden wir mit unserer Sehnsucht nach Liebe vollkommene Erfüllung. Im Neuen Testament heißt es (1. Joh 4,16b): „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
„Ganz heimlich, still und leise“
fällt
„Gottes große Liebe“
in das Leben eines Menschen. So dichtet es Manfred Siebald.
Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen gewesen ist.
Vielleicht ist Ihnen
„Gottes große Liebe“
schon wie ein Licht aufgegangen als kleines Kind. Als Ihre Mutter mit Ihnen vor dem Einschlafen gebetet hat oder im Kindergottesdienst.
Mit Sicherheit haben Sie schon im Kirchlichen Unterricht von
„Gottes großer Liebe“
gehört. Und dass
„Gottes große Liebe“
tatsächlich Sie ganz persönlich meint.
Und was ist dann geworden aus
„Gottes großer Liebe“?
Konnten Sie eigene Erfahrungen damit sammeln?
Oder wurden Sie enttäuscht und fragten sich:
„Gott, wo warst du da?“
Wir müssen keine Glaubenshelden sein, damit
„Gottes große Liebe“
in uns wirken kann. Schon ein kleiner Glaubens-Funke genügt.
Manfred Siebald schreibt:
EG 659,2
2. Ein Funke, kaum zu sehn,
entfacht doch helle Flammen,
und die im Dunkeln stehn,
die ruft der Schein zusammen.
Wo Gottes große Liebe
in einem Menschen brennt,
da wird die Welt
vom Licht erhellt;
da bleibt nichts,
was uns trennt.
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
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Martin Luther glaubte, dass Kirchenlieder dazu beitragen können, die christlichen Lehren besser zu vermitteln. Deshalb veröffentlichte er 1524 das Achtliederbuch. Seitdem ist das Gesangbuch in einem dynamischen Prozess immer wieder ergänzt, erweitert und erneuert worden. › Weiter zur Arbeitshilfe |
Solch einen Glaubens-Funken konnte Jesus in den Herzen seiner Jünger entfachen. An ihm, an seinen Worten und Taten sahen sie, dass die Liebe das Wichtigste und Beständigste im Leben ist. Sogar in den Tod würde Jesus aus Liebe zu Ihnen gehen, damit nicht ihr Versagen das Leben bestimmt, sondern „Gottes große Liebe“. Und so spricht Jesus zu seinen Jüngern kurz vor seiner Kreuzigung:
09 Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch.
Bleibt in meiner Liebe!
11 Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe
und eure Freude vollkommen werde.
12 Das ist mein Gebot,
dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
13 Niemand hat größere Liebe als die,
dass er sein Leben lässt für seine Freunde.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt
und bestimmt, dass ihr hingeht
und Frucht bringt und eure Frucht bleibt.
(aus: Johannes 15,9-16)
Was Jesus hier sagt, gehört für mich zu dem Bewegendsten, was ich in der Bibel lese. Denn er spricht damit ja auch uns an und sagt:
„Ich habe euch lieb
–
Komme, was wolle. Euch kann nichts und niemand wirklich fertig machen. Denn ich habe mein Leben für euch eingesetzt. Ihr seid meine Freunde und Freundinnen. Ich helfe euch dabei, dass euer Leben voller Freude sein kann –
und auch andere sich daran freuen können. Wenn ihr mit mir in Verbindung bleibt, so wird eure Arbeit und eure Liebe gesegnet sein und Bestand haben.“
Für mich sind diese Worte reines Evangelium, frohe Botschaft pur.
Gott hat mich lieb! Mein Schöpfer gibt mir die Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung, die ich zum Leben brauche.
Gott bin ich wichtig, auch wenn ich erschöpft, müde oder krank bin.
Das befreit mich von aller Menschenfurcht.
Gott muss ich nicht nach dem Munde reden.
Er kennt ja meine Stärken und Schwächen.
Auch brauche ich keine Angst vor Überforderung zu haben.
Gott bürdet mir keine Lasten auf, die ich nicht tragen kann.
Das einzige, was ich tun muss:
„Ja!“
sagen zu
„Gottes großer Liebe“.
Manfred Siebald:
EG 659,3
3. Nimm Gottes Liebe an.
Du brauchst dich nicht allein zu mühn,
denn seine Liebe kann
in deinem Leben Kreise ziehn.
Und füllt sie erst dein Leben
und setzt sie dich in Brand,
gehst du hinaus,
teilst Liebe aus,
denn Gott füllt dir die Hand.
Liebe zieht Kreise. Liebe ist ansteckend wie das Lachen. Und wir haben gut Lachen. Denn die wichtigste Sache der Welt: dass Gott uns lieb hat – egal, was passiert; das hat Bestand. Das haben sich nicht etwa die Jünger ausgedacht, damals vor 2000 Jahren. Das liegt allein in Gottes freiem Willensentschluss. Und so sagt Jesus seinen Jüngern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“
Und das Schöne ist nun: Wir können auch anderen dabei helfen, dass sie gut Lachen haben. Jesus sagt: „Ich habe euch dazu bestimmt, dass ihr Frucht bringt und eure Frucht bleibt.“
Jesus gebraucht hier mit Bedacht das Wort „Frucht“ und nicht das Wort „Werk“. Werke, das sind die Taten die wir aus uns selbst vollbringen, aus eigener Kraft. Früchte, das sind die Taten, die uns organisch aus der Liebe Gottes erwachsen. Damit ist unsere Arbeit anders qualifiziert. Wir müssen nicht aus eigener Kraft großartige Dinge auf die Beine stellen. Vielmehr sind wir dazu eingeladen, unser Leben von der Liebe Gottes durchwirken zu lassen – so, wie die Pflanzen von der Sonne beschienen werden und wie von selbst ihre Früchte bringen. Oder wie Manfred Siebald von „Gottes großer Liebe“ schreibt: „Und füllt sie erst dein Leben / und setzt sie dich in Brand, gehst du hinaus, / teilst Liebe aus, / denn Gott füllt dir die Hand.“