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Inhalt:
1. Außergewöhnlich kühn und mutig
2. Gottes überwältigende Liebe
3. Hildegards zahlreiche Visionen
4. Brief an Kaiser Barbarossa
5. Hildegards Gruß an die Gottesmutter
6. Äbtissin - Mystikerin - Prophetin
7. Tiefe religiöse Erlebnisse
8. Das Wunder des 12. Jahrhunderts
9. Zuflucht für Kranke und Notleidende
10. Die Predigt
10.1 Wissen und Liebe
10.2 Bild
11. Zeittafel
12. Hildegard von Bingen
13. Hildegardisfest in Eibingen
14. Kräuter und Gesundheit
14.1 Rosmarin und Thymian
14.2 Lavendel und Oregano
14.3 Estragon und Pimpinelle
14.4 Melisse und Petersilie
14.5 Beinwell und Löffelkraut
15. Sagenhaftes über Wegwarte
16. Download als PDF
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Außergewöhnlich kühn und mutig
Hildegard war eine großartige Frau des Mittelalters. Naturwissenschaftlerin, Mystikerin, Kirchenpolitikerin, Dichterin, Visionärin, Ärztin – all das war sie in einer Person. Ihr Leben lang folgte sie der Stimme Gottes und war den Menschen nicht nur eine Prophetin, sondern auch eine wahre Mutter und Helferin.
Hildegards kritische Stimme war in ihrer Zeit nicht zu überhören. In unerhört offener Sprache geißelte sie alle Missstände, vor allem die allgemein herrschende Zuchtlosigkeit, und forderte die Menschen immer wieder zur Besserung auf. Das brachte ihr zwar manchmal Ärger ein, aber – und das ist das Bewundernswerte – sie tat es trotzdem. Außergewöhnlich waren ihr Mut und ihre Kühnheit, sich für Gott und sein Reich einzusetzen.
Wer wagt es denn heute noch? So mutig und so beherzt wie Hildegard von Bingen sind heute nur noch wenige. Augustinerpater Roger Gerhardy schreibt: „Vielleicht fehlt uns etwas von Hildegards Mut, außergewöhnlich zu sein, etwas zu wagen, was Frau Nachbarin nicht wagt, und das auch dann, wenn es einmal hart wird. Dicke Bretter zu bohren ist schwerer als dünne. Aber lohnender!“
Gottes überwältigende Liebe
Hildegard von Bingen (1098 – 1179) gilt als eine der bedeutendsten Frauengestalten des Mittelalters und ist auch heute wieder vielen Menschen Wegweiserin und Begleiterin. Bereits zu Lebzeiten wurde sie „prophetissa teutonica“ (deutsche Prophetin) oder auch ehrfurchtsvoll die „Tischgenossin Gottes“ genannt.
Hildegard war Äbtissin zweier Benediktinerinnenklöster, Theologin, Künstlerin, Wissenschaftlerin, Ärztin, Mystikerin, Dichterin und Komponistin, sachkundige Naturbeobachterin und politisch engagierte Predigerin.
Sie rüttelte die Menschen ihrer Zeit auf und trat der weitverbreiteten Gottvergessenheit mutig entgegen. Beeindruckend für viele – damals wie heute – ist vor allem ihre ganzheitliche Schau von Gott, Welt und Mensch, in der Himmel und Erde, Glaube und Kosmos, Heils- und Heilkunde eine untrennbare Einheit bilden.
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Hildegards zahlreiche Visionen
Schon als kleines Mädchen hatte Hildegard Dinge gesehen und Worte vernommen, die nicht von dieser Welt waren. Sie selbst erzählt davon: „Meine Eltern weihten mich Gott mit Seufzern. Als ich drei Jahre alt geworden war, erzitterte meine Seele vor einem hellen Lichte, das mir erschien. Damals wusste ich nicht, wie ich von diesen Erscheinungen reden sollte, die sich bis zum Alter von fünfzehn Jahren stets wiederholten. Zitternd schrieb ich mehrere dieser Dinge auf, denn ich glaubte bisweilen mit den Augen zu sehen, was ich nur innerlich gesehen hatte, und wenn ich meine Amme fragte, ob sie auch dergleichen Dinge sähe, antwortete sie ‚Nein’. Ich war also in großer Verlegenheit und durfte niemanden mehr von diesen Geschichten erzählen.“
Und weiter: „Ich war zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt, als plötzlich ein mit blendendem Glanze vom Himmel herabkommender leuchtender Strahl meinen ganzen Körper durchbohrte. Er entzündete meine Seele, durchrieselte Brust und Gehirn und verzehrte mich sanft, ohne mich zu verzehren. Alsbald fühlte ich mich mit neuer Einsicht begabt; ich verstand die heiligen Schriften; das Verständnis der Psalmen, der Evangelien und übrigen Bücher des Alten Testaments ward mir gegeben, und ich betrachtete die Geheimnisse derselben, ohne die Buchstaben des Textes zu kennen.“
Manchmal wurde Hildegard mehrere Tage lang von bösen Geistern mit unerträglicher Hitze und innerlichen Schmerzen gepeinigt. Sie hörte die Teufel sich gegenseitig aufmuntern und sprechen: „Lasst uns diese verführen, damit sie an Gott verzweifle und ihn lästere, weil er sie also peinigen lässt.“ Doch Hildegard wankte nicht im Vertrauen auf Gott und sprach in Demut: „Ich weiß, o Herr, dass alles, was du über mich kommen lässt, gut ist. Ich habe all das verdient, hoffe aber, dass du meine Seele im zukünftigen Leben nicht derart wirst peinigen lassen.“
Noch einmal sandte Gott bei ihrem Tode ein Zeichen, das die Größe seiner Prophetin bezeugen sollte. Ein Augenzeuge hat es beschrieben: „Am nächtlichen Himmel verglühte ein wunderbares Licht. Zwei Bogen von verschiedenfarbigem Glanz, breit und prächtig wie Mondregenbogen, wuchsen aus den vier Himmelsrichtungen empor und schnitten sich hoch im Zenit über dem Sterbezimmer der entseelten Meisterin. In der Kreuzung erglänzte ein weißes Licht, so groß wie die Mondscheibe, und verband beide Bogen. In der weißen Scheibe zeigte sich ein rot schimmerndes Kreuz. Sie wurde größer und größer und mit ihr wuchs das rotglühende Kreuz zu unermesslicher Ausdehnung. Rings um die wachsende Scheibe tauchten unzählige kleinere Kreise auf. Sie schillerten in bunten Farben und jeder trug ein kleines rotes Kreuz.“
Brief an Kaiser Barbarossa
Unerschrocken sagte Hildegard den Mächtigsten die Wahrheit ins Gesicht. So schrieb sie an Kaiser Barbarossa:
„Der höchste Richter lässt Dir sagen: Ein König stand auf einem hohen Berg und sah, was sich unten in den Tälern alles abspielte. Er hielt eine Rute in der Hand und ordnete alles aufs Beste. Einmal schloss er seine Augen und siehe da, ein schwarzer Nebel kam und bedeckte die Täler. Auch Raben kamen und andere Vögel und verzehrten die umliegende Beute. Deshalb, o König, öffne Deine Augen und schaue sorgfältig umher, denn alle Länder sind beschattet von Betrügern, die mit ihren Sünden die Gerechtigkeit verdrängen. Räuber und Irrgeister zerstören den Weg des Herrn. Und Du, o König, regiere die wilden Sitten mit dem Zepter der Barmherzigkeit! Denke nach, wie der höchste Richter Dir zusieht, damit Du nicht einst angeklagt wirst, als hättest Du die Pflicht Deines Amtes nicht wahrgenommen und Du deshalb nicht verdammt werdest.“
Hildegards Gruß an die Gottesmutter
„O grünend Reis,
du stehst in deinem Adel da,
so wie die Morgenröte sich erhebt,
Nun freue dich und juble,
befrei uns Schwache gnädiglich
von dem gewohnten Bösen
und strecke deine Hände aus,
um aufzurichten.“
Äbtissin - Mystikerin - Prophetin
Vor 920 Jahren wurde Hildegard von Bingen geboren
„Hildegards gesamtes Lebenswerk
Ist eine riesige Volkspredigt,
der Versuch, das Gemälde
der Geistesgeschichte aufzurollen.“
Friedrich Heer (1916 – 1983)
In einer sehr alten Lebensbeschreibung eines Mönches mit Namen Gottfried Theoderich heißt es über Hildegard: „Es brannte in ihrer Brust eine Liebe, die keinen Menschen ausschloss.“ Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, auch zu solchen Menschen gut zu sein, die wir nicht mögen und die uns unsympathisch sind. Hildegard war ein Mensch wie wir, aber sie versuchte, auf ihrem Lebensweg diese Liebe zu verwirklichen.
Freilich, als Hildegard im Sommer 1098 – also vor über 920 Jahren – als eine Adlige vom rheinischen Geschlecht der Vermersheim (ihr Geburtsort Bermersheim trägt davon den Namen), geboren wurde, ahnte noch niemand, welch bewegtes Leben dieses Kind bevorstand. Wohl war es beschlossene Sache, dass sie ins Kloster zur Erziehung geschickt werden sollte. Denn so war es in damaliger Zeit in den vornehmen Familien üblich.
Von ihren neun Geschwistern wissen wir so gut wie nichts. Hildegard (der aus dem Althochdeutschen kommende Name bedeutet „Kampf und Garten“) war, wie uns überliefert ist, ein sehr nachdenkliches und ernstes Mädchen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch mit den anderen Kindern im elterlichen Burghof herumtollte.
Tiefe religiöse Erlebnisse
Mit acht Jahren brachten die Eltern Hildegard zu einer gut bekannten Gräfin, Jutta von Sponheim. Diese lebte klösterlich mit anderen Gefährtinnen am Disibodenberg und sollte nun die Erziehung des kleinen Mädchens übernehmen.
Jutta und der Mönch Volmar, der später ihr Sekretär wurde, gaben Hildegard Unterricht, lehrten sie lesen und schreiben, erklärten ihr die Bibel und machten sie früh mit dem benediktinischen Ordensleben vertraut. Dort oben auf dem Berg lernte Hildegard auch die Natur genau kennen, besonders die Heilkraft von vielen Kräutern und Pflanzen.
Auch wenn der achtjährigen Hildegard die lateinischen Vokabeln nicht in den Kopf wollten – nie hat sie diese Sprache gut gelernt -, so interessierte sie sich von klein auf umso mehr für alle religiösen Dinge. Schon bald hatte sie tiefe religiöse Erlebnisse. In vielen Bildern erzählte sie von der Anschauung Gottes.
Weil sie sich berufen fühlte, Ordensfrau zu werden, legte sie bereits mit 15 Jahren das Gelübde ab, ihr ganzes Leben nur Gott dienen zu wollen und so für alle Menschen stets ein offenes Herz zu haben. Hildegards Einkleidung als Benediktinerin nahm der Bamberger Bischof Ott, der vor 1100 als Baumeister die Bauarbeiten am Speyerer Dom leitete, im Jahre 1114 vor.
Als Jutta von Sponheim im Jahre 1136 starb, wurde Hildegard einstimmig zur Ordensoberin gewählt. Schon bald entfaltete sie eine lebhafte Tätigkeit, trotz ihrer vielen Krankheiten und körperlichen Leiden, die sie ein Leben lang begleiteten. Sie gründete zwei neue Klöster: eines auf dem Rupertsberg bei Bingen, wohin sie 1117 übersiedelte, und ein anderes über dem Rhein in Eibingen bei Rüdesheim.
Solche Klostergründungen brachten damals viele und große Schwierigkeiten mit sich. Deswegen erfuhr Hildegard oft Widerstand und sogar Verleumdung, besonders vonseiten mächtiger Adliger. Aber die Ordensfrau ließ sich nicht beirren, räumte alle Steine aus dem Weg und ging zielstrebig ihren von Gott geführten Lebensweg.
Um die Schwestern in Eibingen zu besuchen, fuhr Hildegard einmal in der Woche mit einem Kahn über den Rhein, der damals noch ganz beschaulich dahin floss. Bei einer solchen Gelegenheit soll sie einmal einen blinden Jungen, der mitfuhr, geheilt haben. Diese überlieferte Begebenheit ist auf einer der Kirchenwände des heutigen Klosters Sankt Hildegard in Eibingen zu sehen. Sie trug viel dazu bei, dass die Menschen Hildegard schon bald wie eine Heilige verehrten.
„Das Wunder des 12. Jahrhunderts“
In stillen Stunden schrieb Hildegard, von prophetischer Schau erfüllt, zahlreiche berühmte Bücher. Eines davon heißt „Scivias“, zu Deutsch Wegweiser. Das Buch, in dem seitdem viele Menschen gelesen und für ihr Leben gelernt haben, enthält nicht nur viele schöne Gedanken über Gott, sondern auch natur- und heilkundliche Ausführungen. Ja, Hildegard war als Ärztin so bekannt, dass ein französischer Gelehrter sie „das Wunder des 12. Jahrhunderts“ nannte.
Auf dem Rupertsberg sind die meisten von Hildegards Werken entstanden. Sie sind uns in alten Handschriften überliefert, denn der Buchdruck wurde erst 300 Jahre später erfunden. Im Laufe ihres Lebens schrieb Hildegard drei große Visionsbücher und ein Buch über Natur- und Heilkunde. Außerdem dichtete und komponierte sie 77 Lieder und ein Singspiel. Auch schrieb Hildegard viele Briefe, in denen sie gelehrte Gottesmänner wie den Abt Bernhard von Clairvaux um Rat bat, oder sie ermahnte Papst und Kaiser – wie etwa Friedrich Barbarossa -, im Guten nicht wankelmütig zu sein. Hildegard hatte keine Angst, den Großen und Mächtigen dieser Welt immer wieder ins Gewissen zu reden. Sie sagte: „Aller Zeiten Strom hat nur ein Ziel, in einem nur münden die Jahrtausende, im Herzen Gottes, ganz gleich, nach welchen Winden die Fürsten und Könige der Welt ihre Segel setzen. Nicht die Könige sind es, welche die Jahrhunderte lenken, sondern Gott.“
In einem Brief an Kaiser Konrad III. schrieb Hildegard diese klaren Worte: „Du lebst nicht so, wie du sollst. Bessere Dich, dass Du nicht mehr über Deine Tage zu erröten brauchst!“ Und an Bischof Günther von Speyer schrieb sie: „Dein Geist siebt und schüttelt sich in großen Qualen, wenn die feiste Natur Dich mit verworrenen Lüsten peinigt. Aus diesem Brodel musst Du heraus!“
Nicht nur vom Schreibtisch aus gab Hildegard gute und ermahnende Worte, wo es nötig war, sondern sie unternahm auch trotz ihrer schwächlichen Gesundheit viele mühselige Missionsfahrten. Sie durchzog Franken und Schwaben, gelangte bis zur Mosel und nach Lothringen und fuhr rheinabwärts ins Gebiet der Ruhr. In Würzburg, Bamberg, Trier, Metz und Köln verkündete sie das Wort Gottes, brachte Trost und machte Mut in den Wirren der Zeit.
Auf vielen Marktplätzen Deutschlands predigte Hildegard Buße und Umkehr, sprach über Recht und Unrecht. Viele Menschen wurden durch ihr Wort wieder zu Gott und zu einem christlichen Leben bekehrt. Wo immer sie konnte, suchte sie Frieden zu stiften zwischen Kaiser und Papst und zwischen den einzelnen Volksgruppen. Wie Hildegard das gläubige Volk samt seinen Hirten und Ordensleuten vom lediglich passiven religiösen Leben abbringen wollte, erkennen wir deutlich aus Worten, die in Köln gefallen und später von Hildegard aufgezeichnet worden sind. Diese deutlichen Worte sind an die Priester gerichtet und kommen, wie Hildegard sagt, aus dem Mund Gottes:
„Was immer euer Fleisch verlangt, das tut ihr… Die Macht Gottes wird euere von Bosheit hochgerechten Nacken niederzwingen und zunichte machen, was wie durch Windstoß aufgebläht ist. Denn ihr erkennt weder Gott noch fürchtet ihr den Menschen, noch verachtet ihr die Ungerechtigkeit so, dass ihr danach verlangt, sie in euch zu vernichten. Ihr schaut ja nicht auf Gott und verlangt auch nicht, ihn zu schauen. Ihr blickt vielmehr auf euere Werke und urteilt nach euerem Gefallen, indem ihr nach Belieben tut und lasst, was ihr wollt. O wie groß ist solche Bosheit und feindselige Haltung, dass der Mensch weder um Gottes noch um des Menschen willen in der Richtung zum Guten steht …“
Zuflucht für Kranke und Notleidende
Vor allem für Kranke und Notleidende war der Rupertsberg ein begehrter Zufluchtsort. Nie hat es hier an Gästen und Pilgern gefehlt. Und wenn ein Kranker sich auf den Berg hinaufschleppte, dann wusste er, dass er vom sorgfältig gepflegten Gewürzgarten und der Apotheke des Klosters eine heilende Salbe oder einen schmerzlindernden Tropfen zu erwarten hatte.
Mit dieser Hoffnung kam wohl auch im Jahre 1178, ein Jahr vor Hildegards Tod, ein junger Adliger, der lange aus der Kirche ausgeschlossen war und nun in Ruhe sterben wollte, auf den Rupertsberg. Er sollte der Anlass werden für die letzte große Auseinandersetzung, die Hildegard mit den kirchlichen Behörden hatte. Diese verlangten, dass die Leiche des Adligen aus dem Friedhof ausgegraben und auf den Schindanger (Platz, wo Tiere abgehäutet werden) geworfen wird.
Hildegard weigerte sich, und so wurde das Interdikt (das Verbot, die Sakramente zu spenden) über das Kloster verhängt. Gebrochen über die lieblose Haltung der Mainzer Prälaten, starb Hildegard nach schwerer Krankheit am 17. September 1179 im Alter von 81 Jahren. Erst durch ihren Tod wurde das Interdikt beendet und die Kirchenglocken durften wieder läuten.
Mit den Worten „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“, hauchte Hildegard ihre Seele aus. Ihre Mitschwestern sangen in dieser Stunde das Lieblingslied der heiligen Mutter und Dichterin (nach W. Hünermann):
„O Reis, du blühst auf deinem hohen Throne
Mit Schild und Brünne wohl bewehrt.
Aus Adams Lenden wuchs die Sünde,
der Menschheit Not, der Menschheit Nacht,
du hast in einem holden Kinde
der kranken Welt das Heil gebracht.“
Ihre Ruhestätte fand Hildegard in ihrem Kloster auf dem Rupertsberg, dem sie über vierzig Jahre als Äbtissin der Benediktinerinnen vorgestanden war. Darstellungen zeigen sie als Äbtissin mit Stab, Buch und Feder oder wie sie einem Boten einen Brief an den Papst übergibt. Die Sprachforscher und Philologen haben wie die benediktinischen Frauengemeinschaften Hildegard zu ihrer Patronin erwählt.
Im Jahre 1632 wurde das Kloster Rupertsberg während des Dreißigjährigen Krieges zerstört. Der kostbare Schrein mit den Gebeinen Hildegards wird heute in der Kirche des alten Klosters Eibingen, das 1802 aufgelöst wurde, verwahrt. Viele tausend Menschen besuchen ihn jedes Jahr und zeigen so, dass sie Hildegard nicht vergessen haben. Viele von ihnen kommen auch den Weg herauf zur neuen Abtei Sankt Hildegard und zu den Schwestern, die heute das Erbe der großen Hildegard weitertragen und wie sie einst im Geist und nach der Regel des heiligen Benedikt leben.
Die Predigt
Wissen und Liebe
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir feierten am 17. September das Fest der Heiligen Hildegard. Erst 2012 wurde sie heiliggesprochen und zur Kirchenlehrerin erhoben, obwohl sie sofort nach ihrem Tod vom Volk als Heilige verehrt wurde. So habe ich mich entschlossen, Ihnen diese Frau und ihre besondere Art der Verkündigung vorzustellen, die unserer Kirche auch heute noch gut täte.
Hildegard wurde 1098 am 17. September als zehntes Kind ihrer Eltern geboren. Sie starb 1179, wurde also 81 Jahre alt, was in der damaligen Zeit selten vorkam. Vielleicht lebte sie nach der Heilkunde, die sie aus ihren Naturbeobachtungen gewonnen hatte und die noch heute sehr geschätzt wird. Schon als Kind sah sie mehr als andere Menschen. Wenn sie von ihren Bildern erzählte, stieß sie oft auf Unverständnis. So sprach sie immer seltener davon. Erst als Erwachsene fing sie an, auf Gottes Geheiß, wie sie später sagte, ihre empfangenen Visionen und Einsichten niederzuschreiben und malen zu lassen. Sie, die sich „ungelehrt“ und „armselig“ nannte, war in Wahrheit eine hoch begabte, ja geniale Frau. Ihr erstes Buch nannte sie Sci-vias – Wisse die Wege (Gottes).
Sie stand in Briefwechsel mit Päpsten und Königen; aber auch arme und einfache Menschen suchten bei ihr Rat und Hilfe. Offenheit für die Fragen und Nöte der Welt und tiefe Gottverbundenheit waren für sie keine Gegensätze. Immer lebte sie im Licht Gottes; ihn fand sie in allen Dingen wieder: unter anderem in den Steinen, Pflanzen, Tieren, Menschen und Sternen. Wir, die wir unter der Zerstörung der Schöpfung nur zu oft leiden und ratlos zuschauen, könnten bei Hildegard neue Kraft finden, um die Schöpfung in unserem Umfeld zu schützen.
Sie wurde erst im Jahr 2012 heiliggesprochen, denn sie gehorchte nicht immer den Anordnungen des Vatikans sondern ihrer inneren Stimme. Zwei Jahre lang z.B. durfte kein Priester in ihrem Kloster die Eucharistie feiern. So hatte es der Papst angeordnet, weil Hildegard einen Selbstmörder auf ihrem Konventfriedhof beerdigt hatte. Sie feierte mit ihren Schwestern weiterhin das Stundengebet und selbst entworfene Gottesdienste, bis der Vatikan nachgab. Auch heute, 900 Jahre später, hat sie uns noch viel zu sagen, nicht nur in der Heilkunde, sondern mit ihrer besonderen Art von Verkündigung.
Darum habe ich eines ihrer Visionsbilder ausgesucht, das nicht nur uns Frauen viel zu sagen hat. In der Liturgie zum Fest der Heiligen Hildegard finden wir folgende Lesung:
Aus dem Buch der Weisheit (8,1-6)
1 Machtvoll entfaltet sie (die Weisheit) ihre Kraft von einem Ende zum andern und durchwaltet voll Güte das All.
2 Sie habe ich geliebt und gesucht von Jugend auf, ich suchte sie als Braut heimzuführen und fand Gefallen an ihrer Schönheit.
3 Im Umgang mit Gott beweist sie ihren Adel, der Herr über das All gewann sie lieb.
4 Eingeweiht in das Wissen Gottes, bestimmte sie seine Werke.
5 Ist Reichtum begehrenswerter Besitz im Leben, was ist dann reicher als die Weisheit, die in allem wirkt?
6 Wenn Klugheit wirksam ist, wer in aller Welt ist ein größerer Meister als sie?
Diese Lesung lässt sich besonders gut mit einer Vision der Heiligen Hildegard erschließen. Sie sehen hier ein Bild, das eine der vielen Visionen wiedergibt. Hildegard hat einem Mönch, der gut malen konnte, ihre Visionen beschrieben und zugeschaut, ob er sie richtig wiedergegeben hat. Besonders die Farben mussten mit ihrem inneren Bild übereinstimmen.
In Visionen lässt Gott manche Menschen etwas von seinem Wesen erfahren, das eigentlich unseren menschlichen Verstand übersteigt. Es ist nicht erstaunlich, dass er sich dabei der Bilder bedient, die dem Menschen einleuchten, die er versteht. In jeder Zeit waren und sind solche Bilder anders, weil sich die Sehweise der Menschen ändert. Wenn wir uns heute das Weltall vorstellen, sieht es anders aus, als der Sternenhimmel auf diesem Bild. Trotzdem sind die Aussagen dieser Bilder auch heute verstehbar und gültig, was wir von manchen Texten der großen Theologen aus früherer Zeit nicht sagen können.
Hildegard selbst schreibt zu diesem Bild:
Damit du Mensch, das Geheimnis der Menschwerdung tiefer erfassest und offener kundtuest, schaust du einen sehr großen hellen Glanz, der wie in zahllosen Augen flammt und seine vier Winkel nach den vier Himmelsrichtungen richtet. Dieser Glanz bedeutet das Wissen Gottes, groß in seinen Geheimnissen und rein in seiner Kundgebung.
Der erste Satz der Lesung lautet: Machtvoll entfaltet die Weisheit ihre Kraft von einem Ende zum andern und durchwaltet voll Güte das All. Eine Weisheit, die das All voll Güte durchwaltet, kann nur die Weisheit Gottes sein. In Hildegards Vision stellt sich diese Weisheit mit zwei Eigenschaften vor. Sie spricht zunächst von dem Wissen Gottes. Es wird hier dargestellt durch ein goldenes Quadrat mit vielen Augen. Die Ecken des Quadrates berühren die Grenzen des Weltalls (Lesung: von einem Ende zum anderen) dargestellt durch den Sternenhimmel. Die vielen Augen stehen für Gottes unermessliches unvorstellbares Wissen.
Die zweite Eigenschaft Gottes ist seine unermessliche Liebe, dargestellt durch das etwas hellere breite Band, welches das göttliche Quadrat durchquert. In dem Band sind keine Augen, sondern viele kleine rote Kreise zu sehen. Hildegard deutet sie als Feuerkugeln der Liebe. Wissen und Liebe zusammen ergeben die Weisheit, von der wir in der Lesung gehört haben.
Schauen wir noch einmal auf das Bild.
Fast am Ende des Bandes erkennt man einen Menschenkopf = Christus, die menschgewordene Liebe Gottes zu uns. Durch die Menschwerdung seines Sohnes wurde diese unermessliche Liebe oder Güte den Menschen erfahrbar gemacht.
Für Hildegard hat jede Empfängnis und jede Geburt etwas mit dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zu tun. Hier ist also nicht Maria, wie man zunächst vermutet, mit ihrem Kind dargestellt, sondern jede Frau, die empfangen hat und die ein Kind zur Welt bringen wird. Aus dem Liebesband senkt sich eine Nabelschnur gleich einem goldenen Schlauch auf das Kind im Mutterleib. Eine der Feuerkugeln göttlicher Liebe dringt auf diesem Weg in den Kopf und das Herz des kleinen Menschleins. Sie erfüllt den ganzen Körper mit Leben aus der Liebe Gottes. Im Leib jeder schwangeren Frau, so sieht es Hildegard, vollzieht sich Menschwerdung d.h. mit jedem Kind, das geboren wird, kommt Gottes Liebe zur Welt.
Zurück zum Bild:
Am Rand des Weges, den die Liebe Gottes zu dem Kind im Mutterleib nimmt, stehen viele Menschen, die Schalen mit großen Kugeln, verschiedenste Gaben tragen: Jeder Mensch wird in eine Gemeinschaft hineingeboren. Wir alle tragen dazu bei, auf welche Weise die Kinder um uns herum aufwachsen, wie sie sich entfalten können. Wir tragen gleichsam durch unsere persönliche Aufmerksamkeit, Achtung, Zuneigung und so fort, die wir den Kindern schenken, diese als Gaben an sie heran, jeder Mensch auf seine besondere Art. Heute sprechen wir meistens von Vererbung und vergessen dabei, dass das menschliche Umfeld fast ebenso wichtig im guten wie im schlechten Sinne ist. Manchmal sind diese Gaben auch vergiftet. Der Teufel im Bild hinten, der einen giftigen Pilz in die Schale legt, stellt es eindrucksvoll dar. Doch das Feuer göttlicher Liebe gibt dem Menschenkind die Möglichkeit, damit fertig zu werden.
Das Quadrat mit den Augen, welches für das Wissen Gottes steht und das Band mit den kleinen Feuerkugeln, welches Gottes Liebe darstellen soll, sind nur zwei Möglichkeiten etwas von Gottes Wirken sich vorzustellen. Hildegard sieht in ihren Visionen immer nur Teilansichten von Gott. Unser menschlicher Verstand und unser Herz, als Zentrum aller Gefühle und Empfindungen, sind nicht in der Lage, Gott in seiner Fülle zu erfassen. Er wäre nicht Gott, wenn der endliche Mensch ihn ganz erfassen könnte. Doch Gott schenkt jedem Menschen eine je eigene göttliche Erfahrung. Diese Erfahrungen sind so verschieden, wie es Menschen auf der Erde gibt. Es liegt an uns, unsere Erfahrung wahrzunehmen und in uns wirken zu lassen. Das hat Hildegard auf einzigartige Weise uns vorgelebt. Sie hat ihre Begabung, Unaussprechliches in Bilder zu fassen, nicht als ihre Leistung gesehen, sondern als von Gott geschenkte Visionen erlebt, mit der sie den Menschen etwas von Gott verkünden konnte, was sich nicht in menschliche Worte fassen lässt.
Wie armselig sind dazu die Ausführungen des Kirchenlehrers Thomas von Aquin zum Thema Menschwerdung. Er ließ sich nicht von Gott geschenkten inneren Bildern leiten, sondern lieh sich bei einem heidnischen Philosophen, Aristoteles, Worte und Schlussfolgerungen, um das Geheimnis Gottes in menschliche Sprache zu fassen. So entstand bei ihm ein – farbloses – Gottes- und Menschenbild, welches sicherlich einen Teilaspekt Gottes einfing, aber gleichzeitig zu einem falschen Menschenbild, vor allem Frauenbild führte. Die Aussagen, die Thomas von Aquin zur Frau machte, sind medizinisch falsch und tief verletzend. Er hatte nicht die Kenntnis der modernen Medizin aber er hat die Lektüre eines heidnischen Philosophen eindeutig der Lektüre des Neuen Testamentes vorgezogen. Hildegard lebte 200 Jahre vor ihm und trotzdem sind ihre Aussagen auch heute noch von Bedeutung und von theologischer Richtigkeit.
Über Jahrhunderte hinweg wurde die Kirche durch die Aussagen des Thomas von Aquin irregeleitet und wird auch heute noch davon geprägt, während die Bilder und Texte, die Hildegard uns hinterließ, von der männlichen Theologie selten wahrgenommen werden. Ein Grund, warum wir Frauen uns zu diesem Predigtprojekt zusammengefunden haben, liegt darin, dass wir heute wissen, dass unsere Art, die Welt zu sehen und biblische Texte auszulegen nicht falsch sondern anders ist. Wenn den Frauen die Möglichkeit gegeben würde, in der Liturgie auch das Wort zu ergreifen, würde das ein großer Gewinn für die Kirche sein.
Zeittafel
1098 | Hildegard kommt als letztes von zehn Kindern des Edelfreien Hildebert und seiner Frau Mechthild in Bermersheim bei Alzey zur Welt. |
1112 | Im Alter von 14 Jahren wird Hildegard von ihren Eltern zur Erziehung und Ausbildung in die Klause der Jutta von Sponheim auf dem Disibodenberg gegeben. |
1114 | Sie entscheidet sich, im Kloster zu bleiben, und legt die benediktinischen Ordensgelübde ab. |
22.12.1136 | Jutta von Sponheim stirbt; Hildegard wird zur neuen Meisterin/Äbtissin der Frauenklause auf dem Disibodenberg gewählt. |
1141 | Sie erhält von Gott den Auftrag, ihre Visionen, die sie schon seit der Kindheit begleiten, niederzuschreiben. |
1147 | Vollendung ihres ersten Hauptwerkes: „Liber Scivias Domini“. Papst Eugen III. liest auf der Trierer Synode aus dem Buch vor und beglaubigt damit Hildegards visionäre Schau. |
1150 | Hildegard zieht gegen den Willen des Abtes vom Disibodenberg mit 20 Schwestern in das von ihr erbaute Kloster Rupertsberg bei Bingen |
1152 | Weihe des Klosters auf dem Rupertsberg durch Erzbischof Heinrich I. |
1158 | Fertigstellung ihrer natur- und heilkundlichen Schriften „Physica“ und „Causae et curae“; Beginn der öffentlichen Predigttätigkeit. |
1163 | Kaiser Friedrich Barbarossa stellt Hildegard eine Schutzurkunde für ihr Kloster aus; das zweite Hauptwerk „Liber Vitae Meritoum“ wird vollendet. |
1165 | Hildegard gründet ein zweites Kloster in Eibingen oberhalb Rüdesheim. |
1179 | Über Hildegard und ihr Kloster wird ein Interdikt (Verbot aller gottesdienstlichen Handlungen) verhängt, weil sie auf dem Klosterfriedhof einen von der Kirche exkommunizierten Edelmann begraben hat. Durch wiederholten Einspruch beim Mainzer Domkapitel gelingt es Hildegard, die Aufhebung des Interdikts zu erwirken. |
17.09.1179 | Hildegard von Bingen stirbt im Kloster Rupertsberg bei Bingen. |
2012 | Heiligsprechung |
2012 | Ernennung zur Kirchenlehrerin |
Hildegard von Bingen (*1098 - † 1179) war Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, Komponistin und Universalgelehrte. Sie befasste sich mit Religion, Medizin, Musik, Ethik und Kosmologie und gilt als eine der bedeutendsten Frauen der Christenheit. Bei LOGO finden Sie eine große Auswahl an Produkten mit Bezug zu Hildegard von Bingen. Von Heilkunde, über das Fasten bis hin zu ihrem Leben. |
Hildegard von Bingen (*1098 - † 1179) war Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, Komponistin und Universalgelehrte. Sie befasste sich mit Religion, Medizin, Musik, Ethik und Kosmologie und gilt als eine der bedeutendsten Frauen der Christenheit. Bei LOGO finden Sie eine große Auswahl an Produkten mit Bezug zu Hildegard von Bingen. Von Heilkunde, über das Fasten bis hin zu ihrem Leben. |
Hildegard von Bingen (1098 - 1179)
Sie wusste um die wunderbaren Werke, die Gott an den Menschen tut: Hildegard von Bingen. Ihren Namen hören wir oft. Aber wer verbirgt sich dahinter?
Wenn wir die Möglichkeit hatten, sie nach ihrer Kindheit zu fragen, hätte sie uns davon vielleicht so erzählt:
Ich stamme von einem großen Gut: Bermersheim. Es lag am Rande des Pfälzer Waldes. Ich wurde dort als zehntes Kind meiner Eltern geboren. Das klingt sehr aufregend: zehn Kinder auf einem Gut, aber ich war oft krank und konnte deshalb mit meinen Geschwistern nicht so oft zusammen sein, wie ich gern wollte. Aber vielleicht prägten sich mir in der Stille die Eindrücke tief ein, die das Leben auf einem Hof mit sich bringt: der Rhythmus der Jahreszeiten, die Arbeiten, die dazu gehören, das Feuer im Herd in der Küche ... Etwas bedrückte mich. Ich sah immer wieder Bilder vor meinem inneren Auge, Visionen. Wenn ich über irgendetwas nachsann, verdichtete es sich zu diesen Bildern. Ganz arglos erzählte ich der Kinderfrau davon. Sie erschrak dermaßen, dass ich fortan schwieg. Sie hielt das alles für Eingebungen des Teufels.
Mit acht Jahren musste ich mein Zuhause verlassen. Meine Eltern hatten bei meiner Geburt ein Gelübde abgelegt, mich einem Kloster zu übergeben. Das war zu unserer Zeit durchaus üblich. Ich kann mich noch gut an den ersten Tag erinnern. Das Kloster lag auf dem Disibodenberg über der Nahe. Benediktiner lebten dort. Mein Vater hatte mich hingebracht. Ich sehe mich noch vorne in der Kirche stehen. Sie war dunkel ausgeschmückt. Alles wirkte bedrückend und ein wenig unheimlich. Auch die Gesänge. Vorne stand eine junge Frau, Jutta von Sponheim. Außerdem sah ich noch ein Mädchen in meinem Alter. Später erzählte mir Jutta: die Kirche war tatsächlich wie zu einer Trauerfeier geschmückt. Sie hatte an diesem Tag ihr Gelübde abgelegt. Damit war sie für die Welt „gestorben“. Wir beiden Kinder kannten das natürlich noch nicht. Das geschah erst später. Wann genau erinnere ich mich allerdings nicht mehr. Ja, und dann zogen wir über den Klosterhof. An die Kirche war ein kleines Gebäude angeschlossen. Eine Klause. Wir drei traten ein. Ich höre noch das Aufschichten von Steinen, das Mauern. Wir waren eingeschlossen in der Klause.“
Es mutet uns unbarmherzig an, ein Kind mit acht Jahren dem vertrauten Umfeld zu entreißen und dann auch noch einzumauern. Kinder wurden im Mittelalter jedoch gewöhnlich früh einem Kloster zum Unterricht übergeben. Klausen waren weit verbreitet. Bei den Benediktinern gestalteten sie sich verhältnismäßig großzügig. Die drei Insassinnen verfügten über drei Räume. Einen konnten sie heizen. Ein ummauerter Garten diente dem Anbau von Heilpflanzen. Ein Fenster öffnete sich zur Kirche, ein anderes - verhängtes-zum Klosterhof. Trotzdem wäre es sehr schwer gewesen, wenn Hildegard sich nicht so gut mit Jutta von Sponheim verstanden hätte. Diese unterrichtete die Mädchen im Lesen und Schreiben, in einem einfachen Latein und in der Heilkräuterkunde. Hildegard hörte zu, wenn ihre „ Meisterin“ den Menschen am Klausenfenster lauschte. Das ganze bewegte Zeitalter rollte durch die Erzählungen vor ihnen ab: Kreuzzüge, Papst und Gegenpapst, Streitigkeiten zwischen Papst und Kaiser.
Nur diese Visionen- sie hörten nicht auf. Irgendwann erfuhr Jutta von ihnen. Sie ließ den Abt rufen, um sich mit ihm zu beraten. Der Abt ließ einen Mönch Namens Volmar prüfen, ob die Eingebungen nicht vielleicht doch vom Teufel herrührten. Volmar war sich bald sicher: die Visionen sind göttlichen Ursprungs. Immer mehr Frauen drängten in die Klause. Der Platz reichte nicht mehr. Die Nonnen bildeten schließlich eine Art Nebenkloster unter Oberaufsicht des Abtes. Nach Juttas Tod wählten sie Hildegard zu ihrer Nachfolgerin. Eines Tages meinte Hildegard eine Stimme zu hören. „Schreib auf, was du in deinen Schauungen siehst.“ Schreiben? Als Frau? Was würde das für ein Gerede geben! Doch die Stimme ließ nicht locker. Hildegard wurde krank. Lähmungen suchten sie heim. Und immer wieder diese Stimme! Gottes Stimme? Endlich gab sie nach- und die Lähmungen lösten sich.
Hildegard schrieb auf Wachstafeln oder diktierte, was Volmar ins Reine übertrug. Er beriet sie in der lateinischen Sprache, die sie grammatisch nicht ganz beherrschte. Der Abt reagierte vorsichtig. Schreibende Frauen- das war so eine Sache. Zum Glück ergab sich die Gelegenheit, die Schriften vom Papst überprüfen zu lassen. Er entschied: .Sie ist eine Stimme Gottes.“ Seitdem konnte sich Hildegard manch harte Kritik an kirchlichen und weltlichen Machthabern herausnehmen. Durch sie sprach ja Gott!
Aber bald brach ein Sturm der Entrüstung unter den Mönchen los. Die Nonnen wollten ein eigenes Kloster gründen. Das ging zu weit! Doch Hildegard gelang es, Kontakt mit dem Erzbischof zu Mainz aufzunehmen. Er versprach, die Oberaufsicht über das neue Kloster zu übernehmen. 1150 gründeten die Frauen ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg über dem Rhein bei Bingen. Sie lebten zunächst wie auf einer Baustelle. Die Mönche vom Disibodenberg weigerten sich, die Mitgift, die die Eitern beim Eintritt bezahlt hatten, zurückzuerstatten. Freunde und Verwandte sprangen ein. Allmählich normalisierte sich das Leben. Volmar war mitgezogen, sodass Hildegard neben ihren Aufgaben als Äbtissin ihren theologischen Schriften weiter Zeit zu widmen vermochte. Drei theologische Werke entstanden. Am bekanntesten ist „Scivias: Wisse die Wege“. Aber Worte reichten nicht aus, um die göttlichen Schauungen auch nur annähernd wiederzugeben. So ließ Hildegard zahlreiche ihrer Visionen malen. Außerdem dichtete sie Lieder und vertonte sie und widmete sich der Heil- und Pflanzenkunde.
Nicht genug damit. Sie entwickelte eine reichhaltige Korrespondenz, mit der sie in das Zeitgeschehen eingriff. Die Energie reichte sogar noch zur Gründung eines Tochterklosters auf der anderen Rheinseite in Eibingen. Den größten Wirbel verursachten aber ihre Predigtreisen zu Pferde und zu Schiff, die sie im Alter durchführte. Wenn sie den Menschen, insbesondere den Geistlichen, ins Gewissen redete, fiel das nicht gerade sanft aus. Sie wandte sich gegen eine veräußerlichte Kirche, die ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigte. Ihr Ruf als .Stimme Gottes“ schützte sie bei diesem ungewöhnlichen Unterfangen.
Doch eine Rache für ihre brüsken Mahnungen ereilte sie doch: so sehen wir die Über achtzigjährige Äbtissin auf dem Klosterfriedhof mit ihrem Stab über einem Grab ein Kreuz schlagen. Dann gibt sie ein Zeichen, damit Bedienstete die Stätte unkenntlich machen. Was war geschehen? Ein junger Adliger war wegen seiner Vergehen aus der Kirche ausgeschlossen worden. Nach entsprechenden Bußleistungen fand er wieder Aufnahme. Er starb bald darauf. Seine Beisetzung erfolgte auf dem Klosterfriedhof Nun fand sich in den Wiederaufnahmeunterlagen ein formaler Fehler. „ Alles ungültig“, befand die hohe Mainzer Geistlichkeit. Unter Androhung des Interdikts befahl sie Hildegard, das Grab aufzulösen. Sie dachte nicht daran. Es war ihr klar, dass die Abwesenheit des Erzbischofs dazu diente, sich für manche ihrer Kritikäußerungen schadlos zu halten. Das Unfassbare geschah: das Interdikt wurde verhängt- fast ein Todesurteil für mittelalterliche Menschen. Durften sie nicht mehr die Messe feiern, glaubten sie sich abgeschnitten vom Lebensstrom, den die Kirche vermittelte. Hildegard machte sich auf den beschwerlichen Weg nach Mainz. Es nützte nichts. Kurz vor ihrem Tod erlebte sie gerade noch die Einigung. Sie starb am 17. September 1179. Dieser Tag gilt auch als ihr Gedenktag.
ln vollem Umfang würdigt erst das 20. Jahrhundert das Werk dieser Frau, deren Wunsch an die Menschen lautet: „Das Licht vom Lichte leuchte in dir.“
Hildegardisfest in Eibingen
Am 17. September, dem Gedenktag der hl. Hildegard, in der Abtei St. Hildegard und der Stadt Eibingen ein Hochfest, wird in Eibingen das Hildegardisfest gefeiert. Es gliedert sich traditionell in das am Morgen gehaltene Pontifikalamt und mittags die Reliquienprozession, die seit 1857 stattfindet (begründet von Pfarrer Ludwig Schneider). Der Reliquienschrein ist an diesem Tag für die Gläubigen zugänglich, die Tür an der Vorderseite des Schreines wird ausschließlich an diesem Tag geöffnet. Das Fest schließt mit der Vesper.
Kräuter und Gesundheit
Zu der Heilkunde Hildegards gibt es zahlreiche Bücher auf dem Markt. Deshalb finden Sie hier Kräutermärchen z. B. zum Vorlesen im Frauen- oder Seniorenkreis.
Die Geschichte von der Königin Rosmarin, dem König Thymian und...
Bei jeder Pflanzaktion in den 100 Kindergärten wurde den Jungen und Mädchen eine Geschichte erzählt, während der sie die einzelnen Kräuter an ihrem jeweiligen Platz in der Kräuterspirale einpflanzten. Das Kräuter-Märchen:
Eine Kräuterspirale ist wie ein Schloss mit einem hohen Turm und Mauern. Und die Kräuter, das sind die Schlossbewohner: Jeder Bewohner hat eine bestimmte Aufgabe, arbeitet auf einem bestimmten Posten und hat einen ganz eigenen Charakter. Ganz oben thront natürlich die Königsfamilie. Sie stammt ursprünglich vom Mittelmeer, fühlt sich aber auch in unserer Region ganz wohl, wenn ihre Wohnung sonnig und warm ist. Die Königsfamilie ist sehr bescheiden, was Essen und Trinken angeht; dafür ist sie geradezu süchtig nach Sonne.
Am empfindlichsten ist die Königin Rosmarin. Den Winter mag sie überhaupt nicht. Da möchte sie immer dick zugedeckt werden, damit sie nicht erfriert. Im Sommer dagegen zeigt sie, was ein echte Königin ausmacht: Ihre Blüten sind eine Delikatesse für Hummeln. Ihre Blätter schmecken königlich köstlich, zum Beispiel bei Bratkartoffeln. Wer müde und abgeschlagen ist und in Rosmarinöl badet, wird wieder frisch und munter. König Thymian ist viel kleiner als Königin Rosmarin, aber er hat die gleichen Vorlieben wie seine Gemahlin – sonst wären sie ja nicht verheiratet. Aber der König ist nicht so empfindlich gegen Frost. Das darf er auch nicht sein, denn im Winter werden seine Fähigkeiten am meisten gebraucht. Thymian wirkt nämlich prima gegen Husten. Nicht selten hat er auf seinem Schloss Besuch von einem seiner vielen Brüder, dem Zitronenthymian, der – wie der Name sagt – angenehm nach Zitrone duftet.
...der Prinzessin Lavendel, dem Prinzen Oregano und...
Auch die Königskinder halten sich am liebsten auf kargen, aber sonnigen Plätzen auf.
Prinzessin Lavendel duftet ganz lieblich. Das finden auch die Hummeln, die ihre Blüten sehr gern besuchen. Motten dagegen können ihren Geruch überhaupt nicht leiden. Deshalb legt man auch getrocknete (blühende) Lavendelstängel in den Kleiderschrank, damit die Motten nicht an die Wollsachen gehen.
Prinzessin Salbei wird auch Salvia genannt, was lateinisch ist und „Die Heilende“ bedeutet. Salvia ist nämlich nicht nur ein wohlschmeckendes, sondern auch ein sehr heilkräftiges Kraut. Habt ihr schon mal bei Halsschmerzen mit Salbeitee gegurgelt? Das hilft deswegen, weil Salbe gegen alle möglichen Arten von Entzündungen wirkt. Salbe wirkt aber nicht nur dagegen, sondern zum Beispiel auch gegen… Schweißfüße!
Der Prinz Oregano ist ein echter Italien-Fan. Er liebt Italien und Italien liebt ihn. Deshalb darf Oregano auch auf keiner Pizza fehlen. Hierzulande wird er mancherorts auch Dost genannt. Dost trägt auch den Namen Wohlgemut, weil er Kummer verschwinden lässt, Lebensmut gibt und die Menschen fröhlich macht. Zumindest sagen das die Schlossbewohner über den Prinzen Oregano.
Natürlich gibt es in dem Schloss von König Thymian auch Zauberwesen. Eines davon wohnt direkt unter der Königsfamilie, es ist ein zarter Elf, der Basilikum. Er heißt auch Königskraut und wird auf der königlichen Tafel zu frischen Tomaten und Mozzarella-Käse gereicht. Wie alle Elfen lebt der Basilikum immer nur einen Sommer lang auf dem Schloss. Wenn man im nächsten Jahr wieder einen Basilikum-Elf im Schloss haben will, muss man im Frühjahr rechtzeitig einen neuen einpflanzen.
Unterhalb der königlichen Gemächer befindet sich die Schlossschule. Hausmeister an der Schule ist Herr Bohnenkraut. Er würzt deftige Speisen und, wie der Name schon sagt, vor allem Bohnengerichte. Als Hausmeister sorgt Herr Bohnenkraut dafür, dass man ein solches Essen leichter verdauen kann und, Verzeihung, anschließend nicht so viel pupsen muss.
...dem Lehrer Estragon, der Fee Pimpinelle und...
An der Schule des großen Schlosses gibt es zwei Lehrer:
Ein Lehrer heißt Estragon. Seine langen, dünnen Blätter würzen mit ihrem feinen Aroma Essig und saure Gurken. Aber er bändigt damit nicht nur schwer verdauliches Essen. In Frankreich glaubte man früher, dass der Estragon Schlangenbisse heilt und nannte ihn „herbe de dragon“, das ist Französisch und heißt „Drachenkraut“.
Der Vertretungslehrer von Herrn Estragon heißt Ysop. Er stammt aber aus einer völlig anderen Familie und Gegend als sein Kollege Estragon. Er ist auch hierzulande kaum bekannt. Die beiden haben aber zusammen studiert, und deswegen können sie auch das Gleiche: Essig würzen und die Verdauung fördern. Ysop kann aber auch etwas, was Estragon nicht kann: Seine Blüten locken nämlich Bienen und Schmetterlinge in den Garten.
Neben der Schule wohnt eine wunderschöne Fee, die Pimpinelle. Ihre zarten Blätter geben Salaten und zum Beispiel der Frankfurter „Grünen Soße“ eine feine Würze. Pimpinellen säuseln nicht durch das Schloss, sondern sind auch in ganz Süd- und Mitteleuropa auf trockenen Wiesen und Wegrainen heimisch.
Als im Mittelalter die Pest wütete und viele Menschen starben, rief eine Stimme, ein weißer Rabe oder ein Wichtelmännchen, aus dem Himmel den Menschen zu: „Ist die Krankheit noch so schnell, heilt sie doch die Pimpinell!“
Im unteren Stockwerk des Schlosses, also auf dem reichhaltigen und eher feuchten Boden, wohnen schließlich die ganz robusten Bewohner des Schlosses. Nämlich die Schlosswache: das ist der Schnittlauch. Er bewacht mit seinen langen spitzen Speeren und seinem scharfen Geschmack das Schloss. Seine wirkungsvollste Waffe ist aber das Vitamin C, das Krankheitskeimen keine Chance lässt. Vorausgesetzt, man isst den Schnittlauch frisch, direkt von der Pflanze gepflückt und geknabbert, oder in kleine Röllchen geschnitten wie zum Beispiel in einem Kräuterquark oder auf einem Rührei.
…der Klosterfrau Melisse, der Köchin Petersilie und…
In der kleinen Schlosskapelle wohnt die Klosterfrau Melisse. Vor allem Frauen schätzen ihre nervenstärkende, beruhigende Wirkung. Mütter kommen oft zu ihr, wenn sie gestresst sind oder Kopfschmerzen haben. Aber auch die Kinder mögen die Melisse sehr gern, denn mit ihrem zitronigen Aroma (deshalb wird sie von den Schlossbewohnern auch Zitronenmelisse genannt) schmeckt ein Tee aus frischen Melisseblättern im Sommer sehr erfrischend.
Die unbestrittene Chefin der Schlossküche ist die Petersilie. Sie steckt ihre Nase, oder vielmehr ihre Blätter, in fast alle herzhaften Gerichte. Petersilie ist sehr erfahren, sie wird schon seit 2000 Jahren als Heil- und Würzpflanze genutzt. Deshalb kennt sie sich auch nicht nur in der normalen Küche aus, sondern auch in der Zauberküche des Schlosses. Petersilienwasser hilft beispielsweise gegen Sommersprossen und Kopfläuse. Ihr kennt doch sicher den Zauberer, der sogar den Namen der Petersilie trägt? Richtig, sein vollständiger Name ist Petrosilius Zwackelmann, es ist der Zauberer aus der Geschichte vom Räuber Hotzenplotz.
Die Knoblauchsrauke ist die Schauspielerin am Schlosstheater. Am liebsten spielt sie dabei in Verwechslungskomödien mit. Sie trägt nämlich eine Geruchsmaske und spielt allen, die an ihr riechen vor, sie sei Knoblauch. Dabei sieht sie dem Knoblauch überhaupt nicht ähnlich, riecht aber wirklich genauso. Im Mittelalter wurde die Knoblauchsrauke vor allem von der ärmeren Bevölkerung als Würzkraut genutzt, weil sie sich teure Gartenpflanzen wie den richtigen Knoblauch nicht leisten konnten. Und die Knoblauchsrauke wächst über auch wild, so dass man sie kostenlos ernten kann.
…der Klosterfrau Melisse, der Köchin Petersilie und…
In der kleinen Schlosskapelle wohnt die Klosterfrau Melisse. Vor allem Frauen schätzen ihre nervenstärkende, beruhigende Wirkung. Mütter kommen oft zu ihr, wenn sie gestresst sind oder Kopfschmerzen haben. Aber auch die Kinder mögen die Melisse sehr gern, denn mit ihrem zitronigen Aroma (deshalb wird sie von den Schlossbewohnern auch Zitronenmelisse genannt) schmeckt ein Tee aus frischen Melisseblättern im Sommer sehr erfrischend.
Die unbestrittene Chefin der Schlossküche ist die Petersilie. Sie steckt ihre Nase, oder vielmehr ihre Blätter, in fast alle herzhaften Gerichte. Petersilie ist sehr erfahren, sie wird schon seit 2000 Jahren als Heil- und Würzpflanze genutzt. Deshalb kennt sie sich auch nicht nur in der normalen Küche aus, sondern auch in der Zauberküche des Schlosses. Petersilienwasser hilft beispielsweise gegen Sommersprossen und Kopfläuse. Ihr kennt doch sicher den Zauberer, der sogar den Namen der Petersilie trägt? Richtig, sein vollständiger Name ist Petrosilius Zwackelmann, es ist der Zauberer aus der Geschichte vom Räuber Hotzenplotz.
Die Knoblauchsrauke ist die Schauspielerin am Schlosstheater. Am liebsten spielt sie dabei in Verwechslungskomödien mit. Sie trägt nämlich eine Geruchsmaske und spielt allen, die an ihr riechen vor, sie sei Knoblauch. Dabei sieht sie dem Knoblauch überhaupt nicht ähnlich, riecht aber wirklich genauso. Im Mittelalter wurde die Knoblauchsrauke vor allem von der ärmeren Bevölkerung als Würzkraut genutzt, weil sie sich teure Gartenpflanzen wie den richtigen Knoblauch nicht leisten konnten. Und die Knoblauchsrauke wächst über auch wild, so dass man sie kostenlos ernten kann.
…dem Doktor Beinwell und dem Pförtner Löffelkraut
Wer im Schloss mal eine Erfrischung braucht, der geht an die Bar „Zur Pfefferminze“. Pfefferminze sorgt für frischen Atem – als Tee, in Zahnpasta oder als Mundwasser, aber auch in Süßigkeiten wie Pfefferminzschokolade oder Kaugummi. Die Bardame hat übrigens eine bewegte Geschichte hinter sich. Pfefferminze ist nämlich durch eine zufällige Kreuzung entstanden. Es war im 17. Jahrhundert in England. Dort wuchsen in der Nähe eines Krausminzenfeldes (auch Grüne Minze genannt) wilde Bachminzen. Die beiden haben sich verliebt und immer heimlich getroffen. Als die Menschen ihre Kinder entdeckten, waren sie ganz begeistert von dem Geschmack, nannten sie Pfefferminze und haben sie weiter vermehrt.
Der Beinwell ist der Notarzt im Schloss. Bei allen Prellungen, Quetschungen und Verstauchungen, sogar bei Knochenbrüchen, kann man Beilwell-Salbe auf die verwundete Stelle auftragen. Das kühlt wunderbar, lindert den Schmerz und hilft bei der Wundheilung.
Beinwell nützt aber nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren. Die Hummeln mit ihren langen Rüsseln bestäuben die wunderschönen Blüten. Es gibt aber auch kurzrüsselige „Nektarräuber“ wie Erdhummeln, die dazu einfach ein Loch in die Blütenwand beißen.
Das Löffelkraut schließlich ist der Pförtner des Schlosses – ein Zwerg, der sich im feuchten Boden ganz zu Hause fühlt. Das ganze Jahr über lädt er kleine und große Kräuterfreundinnen und – freunde ein, seine jungen Blätter zu knabbern. Sie schmecken ein bisschen scharf, so wie Kresse. In früheren Zeiten führten viele Segelschiffe auf langen Reisen ein Fass mit gesalzenem Löffelkraut mit sich. Das Vitamin C im Löffelkraut hat nämlich die Matrosen vor Skorbut bewahrt, einer gefürchteten Krankheit der Seeleute. Schon die Wikinger sollen auf ihren Seereisen Löffelkraut an Bord gehabt haben, damit sie möglichst gesund blieben.
Sagenhaftes über die Wegwarte
Laut einer Sage wartete die Geliebte eines jungen Ritters, der an einem Kreuzzug teilnahm, am Wegrand vor dem Stadttor mit ihren Hofdamen auf seine Rückkehr. Doch der Ritter kam nicht mehr zurück. Auch als sie schon nicht mehr an eine Rückkehr des Ritters glaubten, weigerte sich das Burgfräulein, die Hoffnung aufzugeben. Und so konnte man diese kleine Gruppe noch lange Tag für Tag vor dem Stadttor warten sehen. Schließlich hatte der Himmel ein Einsehen. Das Burgfräulein wurde mit seinen Hofdamen in Blumen – Wegwarten- verwandelt, wobei die Hofdamen in blaue und die unglückliche Geliebte in eine weiße Wegwarte verwandelt wurden. Man kann die Wegwarte als Sonnenuhr verwenden: Sie öffnet ihre Blüten morgens um sechs Uhr, gegen 11 Uhr schließt sie sie wieder. Einer christlichen Legende nach entstand die Wegwarte folgendermaßen:
Jesus kam, noch unbekannt als der Messias, an einem Haus vorbei und erbat Hilfe von einer Magd. Diese nahm sich seiner jedoch nicht an, weil sie auf ihren Bräutigam wartete. Als dieser dann tatsächlich kam, fand er aber nicht mehr die Magd, sondern eine Wegwarte. Laut Sage soll die verwandelte Magd erst dann wieder zurückverwandelt werden, wenn Jesus eines Tages zurück zur Erde kommt.
„Wegwart oder Wegweiß wird also genannt/dieweil es in allen Straßen oder Wegen gemein wächst. Heißt auch Sonnenwendel/Sonnenwirbel/ dieweil seine Blumen sich aliwegen gegen der Sonnen wenden.“
Laut einer anderen Sage sind Wegwarten verwunschene Menschen. Wegwarten mit weißen Blüten sind dabei die guten Menschen, blaue Blüten stehen für schlechte Menschen.
Pfarrer Kneipp erwähnte eine Abkochung oder einen Saft aus der Wegwarte zur Reinigung der Nieren.
Alles rund um Hildegard von Bingen:
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Literaturhinweise
- www.logo-buch.de