Herbst
Der Herbst ist die Jahreszeit der Ernte, der bunten Farben und auch des Vergänglichen. Unsere Gedichtauswahl bietet Ihnen Texte über die Natur mit reifen Früchten, den letzten Blüten und dem ersten Tau am Morgen.
Auch für den Herbst des Lebens, das Älterwerden, gibt es passende Worte.
Herbst (Rainer Maria Rilke)
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke
Kürzere Herbstgedichte
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen:
bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmem Golde fließen.
Eduard Mörike
Stilles Reifen
Alles fügt sich und erfüllt sich,
musst es nur erwarten können
und dem Werden deines Glückes
Jahr und Felder reichlich gönnen.
Bis du eines Tages jenen
Reifen Duft der Körner spürest
Und dich aufmachst und die Ernte
in die tiefen Speicher führest.
Christian Morgenstern
Reife
Nun ist es Herbst:
Die Zeit der blauen Stunden,
des stillen, bloßen Seins —
die Zeit verheilter Wunden.
Das Leben, deins und meins,
hat sich mit tausend Fäden
in das des anderen längst verstrickt.
Dass uns dies ohne Schäden
Bis in den Herbst geglückt,
zeigt, dass wir fleißig lernten
der Liebe Einmaleins.
Nun lässt der Herbst uns ernten
die Labsal reinen Weins.
Elli Michler
Herbstgedicht
Wie sich am Wald die Buchen bunt verfärben!
Es will der Herbst den Sommer schon beerben.
Sie Sonnenblumen königlich sich heben.
Das ist das runde, reife, volle Leben!
Am Haus der wilde Wein wie Feuer loht
und trinkt noch Süße aus der Blätter Tod.
Und in die Stille um die Mittagskehre
Der Apfel fällt von seiner eigenen Schwere.
Geheime Weisheit ist am Werk und schafft
Zurück zu Stamm und Wurzel satte Kraft.
Ewiger Sinn: was leben will, muss sterben.
So mag der Herbst den Sommer gern beerben.
Hermann Claudius
Es naht der Herbst
Noch einmal lasst, ihr edlen Rosen,
verströmen euren süßen Duft
und träumt vor meiner Mutter Fenster
in sommerlicher Abendluft.
Es naht nun hinter seinem Nebel
der Herbst schon wieder unserm Land.
Die Astern schwelgen zum Willkommen,
noch einmal fern am Gartenrand.
Das ist die Zeit, uns zu besinnen
auf alles, was das Jahr uns gab.
Der Winter wird uns stiller finden,
wenn uns berührt sein weißer Stab.
Dann werden Mutters Rosen warten
bis Frühlingswinde auferstehn.
Schenk uns ein ruhiges Verweilen,
dass wir den Sinn des Seins verstehn.
Hans Bahrs
Herbstbeginn
Der Sommer geht jetzt lautlos fast vorüber
und lässt den Herbst hinein ins Land.
Der Himmel spannt sich heiter noch darüber.
Doch früher hockt die Nacht an seinem Rand.
Am Abend fröstelt man. Es wärmt ein Feuer.
Die Sonnenkraft reicht nicht mehr aus.
Geborgen liegt die Ernte in der Scheuer.
Behaglichkeit schenkt nun das Haus.
Da magst du still dein Leben auch bedenken,
wie es vom Lenz zum Herbst sich schwingt.
Denn jede Zeit wollt die das Beste schenken,
das immer noch dein Sein durchdringt.
Hans Bahrs
Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl
Nun ist das Korn geschnitten
Nun ist das Korn geschnitten,
Die Felder leuchten fahl,
Ringsum ein tiefes Schweigen
Im heißen Sonnenstrahl.
Verblüht ist und verklungen,
Was duftete und sang,
Nur sanft tönt von den Triften
Der Herdenglockenklang.
Das ist, o Menschenseele,
Des Sommers heilger Ernst,
Dass du, noch eh er scheidet,
Dich still besinnen lernst.
Ferdinand von Saar
Im Garten
Im Garten blüht die letzte Rose,
der bunte Busch ist schon entlaubt.
Am Berge steht die Herbstzeitlose,
bis ihr der Wind die Blätter raubt.
Der Acker liegt in Nebelhülle
und Lerchen singen drüberhin.
Er gab der Erde ganze Fülle –
nun ruht er aus zum Neubeginn.
Ich pflücke nur vom Strauch die Schlehe
und schmeck sie bittersüß im Mund.
Und wie ich still so weitergehe,
scheint blass die Sonne in der Rund.
Und über allem, was so trübe,
liegt nun ein milder, heller Schein.
Und tief im Herzen glüht die Liebe
zu allem Leben, allem Sein!
Ingeborg Lerche
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