Die Elektrizität hat schon seit Langem in den Kirchen Einzug gehalten. Hier und da muss noch aufgrund fehlender Timer ein Knöpfchen zum Läuten betätigt werden. Doch wo gibt es das Phänomen noch, dass die Kirchenuhr von Hand aufgezogen wird? In Wassenach!
Die Uhr befindet sich im Nordturm unserer katholischen St. Remigius-Kirche. Man steigt 38 Stufen hinauf zu dem eisernen mechanischen Uhrwerk. Es stammt aus dem Jahr 1885. Unter uns Laien lässt sich die Funktionsweise so erklären: Ein großes Pendel wird durch ein Gewicht in Schwung gehalten, das sich Stück für Stück („tick, tack“) über ein Seil von einer Trommel abwickelt. Verbunden sind die Teile des Uhrwerks mit Zahnrädern. Die Drehung der Trommel bewirkt einerseits die Bewegung der Uhrzeiger der Turmuhr. Andererseits gibt sie den Impuls für den Uhrschlag zur vollen Stunde: Eine zweite Trommel mit Gewicht wird dann in Gang gesetzt. Diese tritt nur stündlich in Aktion, um den – ausnahmsweise elektrischen – Hebel für den Glockenschlag auszulösen.
Nach etwas mehr als 24 Stunden sind beide Gewichte am Boden angekommen und müssen wieder hochgezogen werden. Und das funktioniert so: Mit einer Kurbel werden die beiden Trommeln so weit gedreht, bis das Seil wieder vollständig aufgewickelt ist. Mehr nicht. Soweit ganz einfach.
Aber die Uhr nachzustellen, wenn sie wegen der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen allmählich oder wegen der Uhrumstellung plötzlich falsch geht, scheint eine Wissenschaft für sich zu sein. Man muss ein paar Tricks kennen, um die Uhr vor oder zurück zu drehen.
Dieses Wissen habe ich bei meinem Vater abgeschaut, von dem ich vor fast sieben Jahren dieses einzigartige Ehrenamt übernommen habe. Er unterstützt mich immer noch, wenn es mal zeitlich nicht hinhaut; ebenso mein Mann.
Ein besonderes Erlebnis hatten wir, als das Seil von der Rolle sprang. Wir mussten im Kirchturm noch eine weitere Ebene nach oben steigen. Während mein Mann das schwere Gewicht festhielt, musste ich mit einer sehr langen Stange das Seil wieder „einfädeln“. Eine schweißtreibende Aufgabe, die wir nach einigen bangen Minuten erfolgreich gemeistert haben.
Das Uhraufziehen ist eine Tradition, die zur Seltenheit geworden ist. Es macht mich froh und auch ein bisschen stolz, sie in meiner Heimatpfarrei weiter fortzuführen. Manchmal ist sie lästig und ab und zu vergessen wir das Aufziehen an einem Tag. Das kann dann das ganze Dorf hören – oder eben nicht, weil dann ja die Glocken stumm bleiben. Jedoch ist es ein schönes Gefühl zu wissen: Jedes Mal, wenn die Kirchenuhr zur vollen Stunde schlägt, wird dabei unsere eigene „eingespeicherte“ Muskelkraft frei.
Gibt es eigentlich noch weitere „Uhraufzieher“? – Ich freue mich auf Ihre Kommentare,
Ihre Margit Junk
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