Philippi

Philippi war die die erste Christengemeinde Europas.

Es war um das Jahr 50, als Paulus mit seinen Begleitern Kleinasien verließ und in einem kleinen Küstenboot nach Mazedonien segelte, um sein Missionswerk auf das Festland Europas zu verlegen. Schon von weitem grüßte ihn die malerische, auf einem Felsvorsprung ins Meer hinausragende Küstenstadt Neapolis. Sie heißt heute Kavalla, zählt rund 75.000 Einwohner und ist der Mittelpunkt der mazedonischen Tabakindustrie.

Dort, wo jetzt auf er Spitze des Berges die byzantinisch-türkische Zitadelle thront, stand bei der Ankunft des Apostels ein dem Pantheon in Athen nachgebildeter Tempel. Das Neapolis, das Paulus erblickte, muss dem heutigen Kavalla sehr ähnlich gewesen sein. Die rechteckigen, weißen Häuser gruppierten sich genau wie heute terrassenförmig um den Berg, eine Reihe hinter der andern, die niedrigste sich im Wasser spiegelnd. Es war ein bedeutungsvoller Augenblick in der Geschichte der Menschheit, als Paulus in dieser Stadt zum ersten Mal seinen Fuß auf europäischen Boden setzte. Es wurde die großen Gnadenstunde Europas.

Von Neapolis führte eine berühmte römische Heerstraße, die Via Egnatia, nach Philippi. Sie durchquerte ganz Mazedonien von Osten nach Westen und lief jenseits der Adria nach Brundisium und durch die Via Appia nach Rom. Die etwa zwei Meter breite, oberhalb Kavalla noch sehr gut erhaltende Straße ist aus großen Steinen gebaut, von denen noch manche die Spuren von Wagen- und Karrenrädern tragen.

Auf ihr zog nun Paulus nach dem etwa 12 km von der Küste entfernten Philippi. Als er oberhalb Neapolis die Passhöhe des Berges Simbolon erreichte, öffnete sich vor ihm in einem großartigen Panorama die weite quellenreiche, von sanften Höhenzügen ringsum eingeschlossene Talebene, und am Westabhang einer kleinen Anhöhe lag die ersehnte Stadt mit ihrer Götterburg, der Akropolis.

Philippi war damals berühmt durch seine Goldbergwerke im nahen Pangäusgebirge. Zusammen mit der strategisch wichtigen Lage waren dies wohl auch der Grund, dass König Philipp II. von Mazedonien, der Vater Alexanders des Großen, im Jahre 358 v. Chr. an Stelle der alten Siedlung Krenides diese stolze Stadt erbaut und befestigt hatte. Seither wurde sie zu seinen Ehren Philippi genannt und nahm einen raschen Aufschwung in Wohlstand und Kultur.

Berühmt war Philippi auch als Schauplatz gewaltigen blutigen Ringens. Das Wort des ermordeten Cäsar an seinen Mörder: "Bei Philippi sehen wir uns wieder" machten den Namen der Stadt geradezu sprichwörtlich. Im Jahr 42 v. Chr. wurde bei Philippi eine Entscheidungsschlacht von welthistorischer Bedeutung geschlagen: die Heere des Mark Antonius und des Oktavian, Cäsars Rächer, besiegten hier die Legionen der Mörder Brutus und Cassius und schmiedeten damit die augusteische Kaiserkrone. Nach seinem Siege erhob Oktavian Augustus die Stadt zu einer römischen Militärkolonie.

Damit wurde Philippi steuerfrei, und seine Einwohner erhielten das römische Bürgerrecht. Philippi war stolz auf seine neuen Privilegien und nannte sich auf seinen Münzen fortan nur noch: Colona Augusta Julia Victrix Philippensis.

Durch Paulus gelang Phlippi zu seinem größten Ruhm

Doch zum größten Ruhm gelangte Philippi erst durch Paulus, der hier zum ersten Mal auf europäischem Boden das Christentum verkündete (Apg. 16,12-40). Am Ufer des Gangites, der noch heute etwa 2 km außerhalb vom Trümmerfeld von Philippi durch eine verlassene Ebene fließt, traf er eine Gruppe jüdischer Frauen. Wie einst die Juden an den Strömen Babels ihre Harfen an die Weiden hängten und sprachen: "Wie könnten wir des Herren Lied in fremden Landen singen?" (Ps. 137,4), saßen sie am Ufer des Baches im Schatten der Bäume und dachte wohl an Jerusalem und seinen heiligen Tempel.

Ihnen hielt Paulus nun die erste Predigt. Lydia, eine Purpurwolleberin aus der Stadt Thyatira, schloss dem Evangelium ihr Herz auf und ließ sich als erste bekannte Christin in Europa taufen. Sie öffnete den Glaubensboten auch ihr Haus und stellte es ihnen gastfreundliche als Kultstätte zur Verfügung.

Schon bald aber kam es zu einem unangenehmen Zwischenfall. Ein geistesgestörtes, von einem Dämon besessenes Sklavenmädchen, das von seinen Besitzern als Wahrsagerin und Prophetin ausgebeutet wurde und ihnen damit viel Geld einbrachte, lief ständig hinter den Missionaren her und belästigte sie mit seinen wirren Faseleien. Ungehalten darüber, wandte sich Paulus zu ihr und gebot dem Dämon, von ihr auszufahren.

Als nun die Besitzer merkten, dass der Geist der Prophetin in ihr erschlagen sei, ergriffen sie Paulus und Silas als die Hauptschuldigen und schleppten sie auf den Marktplatz vor die Obrigkeit. Der große, gepflasterte Platz, einst im Zentrum von Philippi gelegen, befindet sich heute hart an der Straße, die von Kavalla nach Drama führt. Noch sind die Wasserkanäle, die in römischer Zeit den Regen ableiteten, gut zu erkennen. Paulus und Silas wurden nun angeklagt, die Stadt der Philipper in größte Verwirrung zu bringen: "Sie sind Juden und verkünden Sitten, die wir als Römer weder annehmen noch befolgen können."

Die Richter ließen ihnen daraufhin kurzerhand die Kleider herunterreißen und sie auspeitschen. Dann führte man sie über eine Steintreppe zur Oberstadt hinauf. Das Gefängnis, in das man sie brachte, ist heute noch erhalten. Es liegt am Burghügel, ist teilweise in den Berg hinein gegraben und besteht aus massiven Mauern. Gegen Mitternacht nun, während die beiden Gefangenen Gott lobten, entstand ein Erdbeben.

Die Grundmauern des Kerkers erbebten, die Türen sprangen auf und die Fesseln aller lösten sich. Der Kerkermeister glaubte, die Gefangengen seien entflohen und wollte sich das Leben nehmen. Paulus aber hinderte ihn daran mit den Worten: "Tu dir kein Leid an, wir sind alle noch hier!" Da war dieser so tief erschüttert, dass er sich taufen ließ. Inzwischen hatten man erfahren, dass Paulus und Silas römische Bürger seien. Und alsbald wurden sie aus dem Verlies entlassen und mit allen Ehren vor das Stadttor hinausbegleitet.

Paulus Weg nach Rom

Nach dem Weggang des Apostels blühte die junge Christengemeinde von Philippi rasch empor und blieb auch später mit ihrem Gründer in inniger Verbundenheit. Als seien sie sich ihrer Auszeichnung, die Erstgeborenen in Europa zu sein, bewusst, hingen die Christen von Philippi wie Kinder an Paulus. Mit rührendem Eifer trugen sie Sorge dafür, dass ihm nichts fehle. Schon bald nach seinem Wegzug schickten sie ihm eine Unterstützung (Phil. 4,15-16), und als sie erfuhren, Paulus sein in Rom als Gefangener in Bedrängnis, ließen sie ihm eine großmütige Spende überbringen.

Aber auch Paulus blieb mit den Philippern zeitlebens innig verbunden. Auf seiner dritten Missionsreise besuchte er sie noch zweimal (Apg. 20,2.6), und aus seiner Gefangenschaft in Rom richtete er an sie einen seiner schönsten Briefe. Er nennt sie darin "seine Freude und seine Krone" (Phil. 4,1). "Gott ist mein Zeuge", schreibt er weiter, "wie ich mich nach euch allen sehne in der innigen Liebe Christi Jesu" (Phil. 1,8).

Schon frühzeitig wurde Philippi zum Bischofsitz und war noch im Mittelalter eine blühende Stadt. Im 14. Jahrhundert wurde es jedoch von den Türken zerstört. Heute ist Philippi nur noch eine einsame Ruinenstadt, und auf seinen einst so belebten Gefilden ist es heute so totenstill, als ständen wir hier auf einem Friedhof ganzer Menschengeschlechter. Nur noch einige kümmerliche Baureste von geborstenen Säulen, Gesimsstücken und Kapitellen schimmern wie weißes Gebein aus der grünen Ebene als stumme Zeugen einer bewegten, großen Vergangenheit.

Hoch in den Lüften kreisen die Störche, die auf den mächtigen Ruinen einer zerfallenen byzantinischen Kirche im Westen des römischen Forums ihr Nest gebaut haben. Die Basilika stammte aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. und war zweifellos dem Apostel Paulus geweiht. Von dem großartigen Kuppelbau, der westlich durch eine Apsis abgeschlossen war und im Innern von zwei kunstvoll verzierten Säulenreihen, die die Kirche in drei Schiffe teilten, getragen wurde, stehen heute nur noch ein Portal und drei massive, 15 m hohe Pfeiler.

Zusammenfassung mit biblischen Verweisen

Große Stadt an der Via Egnatia in Makedonien. Oktavian und Marcus Antonius besiegten hier 42 v. Chr. Brutus und Cassius. Römische Kolonie. Paulus besuchte die Stadt auf seiner zweiten und dritten Missionsreise (Apg 16,12; 20,6) und schrieb einen Brief an die dortige Gemeinde (Phil 1,1). Auch erwähnt 1Thess 2,2.

2,2.