Als Sternsinger noch beschimpft wurden
Heutzutage haben es die Sternsinger wirklich gut. Das sah früher anders aus: Beim Dreikönigssingen herrschten vor einigen hundert Jahren ziemlich raue Sitten: „Eine schändliche und zugleich lächerliche Bettelei“.
Als Sternsinger noch beschimpft wurden
Die Zeit um den Dreikönigstag, den 6. Januar, muss für ehrbare und gottesfürchtige Bürger in früheren Jahrhunderten geradezu ein Alptraum gewesen sein. Einer, der sich alljährlich wiederholte. Was sich damals auf den Straßen und Gassen abspielte, konnten wohlanständige Christenmenschen nur als skandalös empfinden.
Der Prediger Michael Freud aus Kuppentin in Mecklenburg schilderte das 1684 so: „Es schläget sich jährlich (am heil. Drey Könige Tage vorzüglich) eine Rotte zusammen, um schändlichen Gewinns willen; kömmt des Tags über in keine Kirchen und geht bei Nacht mit dem Stern, mit einem tölpischen und gottlosen Rumpelreigen oder abgöttlichen Gesang und Liedern in Städten und Dörfern herum, dass sie Geld sammeln, damit sie hernach zu saufen haben.“
So oder schlimmer dürfte sich den meisten seiner Zeitgenossen der damals bereits zur „Unsitte“ verkommene Brauch des Sternsingens dargestellt haben. Dabei hatte alles ganz harmlos und gesittet angefangen. Wann genau, darüber sind die Volkskundler geteilter Meinung.
Hans Moser hat jedoch nachgewiesen, dass das Sternsingen nicht wie so häufig angenommen wurde, als ein Rest älterer Weihnachtsspiele anzusehen ist. Vielmehr kam der Brauch wohl um 1550 im süddeutschen Sprachraum als etwas völlig Neues auf. Schüler und Schulmeister waren damals häufig „bettelarm“ und auf Nebeneinkünfte durch Heischegänge aller Art angewiesen.
In der Zeit um Dreikönig erhielten sie, wie zahlreiche alte Belege erwähnen, beim Umherziehen von Haus zu Haus für das „singen mit dem Stern“ kleinere Geldbeträge und andere Gaben. Häufig war das Sternsingen Privileg bestimmter Schulen, später auch einzelner Handwerkerzünfte. Doch nicht überall fand der neue Brauch Zustimmung.
1551 heißt es in Ingolstadt: „Die mit dem Stern sollen nit mer umbgeen … dann nichs guets daraus ervolgt.“ In Freiburg verbieten Ratsherren 1579 das „Gutejahr- und Sternensingen.“ Es kommt immer wieder zu Belästigungen und Tätlichkeiten. Oft werden die Sänger verspottet, geschlagen oder beraubt. Und bald haben sich Erwachsene – häufig aus sozialer Not – des einträglichen Heischebrauchs bemächtigt. Abgedankte Soldaten, arbeitslose Maurer, Abdecker und Landstreicher ziehen scharenweise als „Heilige Drei Könige mit dem Stern“ von Ort zu Ort. Oft sind sie wochenlang bei Wind und Wetter unterwegs. Manche dieser Gruppen geben sich nicht mit milden Gaben zufrieden, sondern fordern Geld und drohen mit Brandstiftung.
Das Dreikönigssingen gerät mehr und mehr in Verruf. In Griesbach (Bayern) wird im Jahr 1600 ein Bürger bestraft, weil er einen anderen – offenbar zu Unrecht – einen „Sternsinger“ geschimpft hatte. Immer wieder kommen Gewalttaten vor, wie etwa 1637 in Braunschweig, wo ein sternsingender Knabe erschlagen wird. Allen behördlichen Verboten und Strafandrohungen zum Trotz hat sich der Brauch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts im gesamten deutschsprachigen Raum ausgebreitet, über alle Territorial- und Konfessionsgrenzen hinweg. Selbst in England, Skandinavien und den Niederlanden zieht man mit dem Stern umher.
Anders als die meisten alten Bräuche überdauert das Sternsingen das brauchfeindliche Zeitalter der Aufklärung. Ende des 19. Jahrhunderts ist es allerdings nur noch in seinen süddeutschen und alpenländischen Ausgangsgebieten verbreitet. Heute lebt der alte Brauch in einer veränderten Form weiter. Jahrhundertelang traf auf die Sternsinger der Spruch von 1566 zu: „Die exligen drey König mir ihrem stern/sie essen und trincken, bezahlen nit gern.“
Heute sind sie wieder eine gerngesehene Erscheinung. Seit den fünfziger Jahren sammeln alljährlich zwischen Weihnachten und Dreikönig hunderttausende Kinder und Jugendliche Geldspenden für die Sternsinger Aktion. Nicht für sich selbst, sondern für notleidende Kinder in der Dritten Welt.
Weitere Informationen zum Dreikönigsfest:
› Dreikönigsfest und zugehörige Bräuche
› Video zum Ursprung der Heiligen drei Könige auf YouTube ansehen