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Jahreslosung 2021
Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
(Lukas 6,36)
Auslegung von Pfarrer Wolfgang Weik zum Jahreslosungsbild 2021 der Künstlerin Ute Wengenroth
Inhalt:
1. Gebet
2. Künstlerin Ute Wengenroth zu Ihrem Werk
3. Auslegung von Wolfgang Weik
4. Der Autor: Wolfgang Weik
5. Bildbetrachtung
6. Theologische Überlegungen
7. Homiletische gesellschaftliche Überlegungen
8. Theologische Ansätze
9. Passende Artikel
10. Bibelstellen
11. Gebet
12. Predigt
13. PDF-Download der Auslegung
Gebet
Lieber Vater im Himmel,
wir Menschen leben aus deiner Gnade.
Du kennst uns, weißt um unsere Nöte und Ängste.
Du siehst die Menschen, die hungern, die ihr Land verlassen müssen, die an Armut und Krankheit leiden.
Du siehst deine bedrohte Schöpfung, das veränderte Klima, die leidenden Wälder, die sterbenden Vögel und Insekten.
Das Jahr 2020 hat der Welt viel zugemutet und viele Veränderungen gebracht.
Wir glauben, dass Du in allen Umbrüchen und Einschränkungen deine Hand nicht von uns nimmst, dass wir in aller Bedrohung behütet werden, dass du diese Welt erlöst hast und erlösen willst.
Geh du mit uns, mit allen Menschen auf Erden, in das neue Jahr.
Wir leben aus deiner Liebe und Barmherzigkeit, mit der du uns verändern und leiten willst.
Lass uns dir vertrauen, mach du uns frei von Selbstüberschätzung und dem Kreisen um uns selbst.
Die Welt, Gott, deine Schöpfung ist angewiesen auf Liebe und Barmherzigkeit, wir leben aus deiner Barmherzigkeit.
Bleibe du bei uns auf den neuen Wegen.
Amen
Die Künstlerin Ute Wengenroth zu Ihrem Werk:
"Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!"
Ich habe zur Ideenfindung wieder jedes einzelne Wort der Losung überdacht.
Seid … bedeutet für mich eine Aufforderung, etwas zu tun oder zu denken. Jeder soll sich angesprochen fühlen.
barmherzig … oder Barmherzigkeit bedeutet, anderen zu helfen, nicht egoistisch oder oberflächlich zu sein und mit offenem Herzen und Augen zu leben. Barmherzigkeit ist, sich anderen selbstlos anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen. Außerdem zählen dazu auch Ehrlichkeit, Toleranz, Frieden stiften und teilen können.
Vater … in meinem Bild steht der größte Rettungsring im Kompass als Symbol für den Vater oder Gott, der Sicherheit gibt und hilfsbereit ist. Und das in alle Himmelsrichtungen.
ist … bedeutet in diesem Satz, dass die Aufforderung in der Gegenwart im Hier und Jetzt gemeint ist.
Das Bild soll die Vernetzung aller Kontinente darstellen und zeigen, dass alle Menschen an einem Strang ziehen sollten und in Frieden miteinander leben. Es ist eine gesellschaftskritische Aufforderung, zu handeln.
Die Papierboote deuten auf Zerbrechlichkeit, aber auch Mut, Zielstrebigkeit und Selbstvertrauen.
› Exklusives Interview mit der Künstlerin Ute Wengenroth bei LOGO
Auslegung und Bildinterpretation von Wolfgang Weik
Die nachfolgenden Skizzen zur Jahreslosung sind als Bausteine zu verstehen:
Predigtimpulse, theologisch exegetische Überlegungen, Meditation.
Der Autor: Wolfgang Weik
Vita – Mit dem Herzen im Himmel, mit den Füßen auf der Erde
Jahrgang: 1956
Studium: Theologie und Pädagogik in Hamburg
Pfarrer der EKHN:
Pfarrer in der Kirchengemeinde Wirges (1991 bis 2003),
Pfarrer in der Kirchengemeinde Höhr-Grenzhausen (2003 bis 2011),
Dekan des Dekanats Selters (2011 bis 2017),
Pfarrer in Ransbach-Baumbach-Hilgert (ab 01.08.2018)
Schwerpunkte: Mission und Ökumene, Partnerschaftsarbeit, Diakonie, Willkommenskultur, geistliches Leben und Spiritualität im Alltag.
Bildbetrachtung
Ein erster Blick
Eine Weltkugel, Kontinente, durch eine rot weiße Schnur miteinander verbunden. Am Anfang und Ende der Schnüre Rettungsringe, frei, an einer Schnur oder auf dem Meer. Der Rettungsring taucht noch einmal auf und zwar im Kompass.
Und dann sind da die Papierbötchen: mal groß, mal klein, mal alleine, mal zu zweit, mal zu dritt. Sie können Boote der Flüchtenden sein oder Boote derer, die versuchen, eine Verbindung zu halten.
Ein zweiter Blick
Die Kontinente driften auseinander. Vielleicht sollen sie durch das Seil zusammengehalten werden, aber das kann nicht gelingen, es ist zu schwach. Außerdem sind die Seile an Ringen befestigt, nicht an einem Anker. So kann die Welt nicht zusammengehalten werden. Gerade wenn ich auf diesem Bild auf Nordamerika schaue, sticht es ins Auge: Größe und Anordnung stimmen nicht: Nichts ist mehr auf dieser Weltkugel da, wo es hingehört. Der Blick auf die Welt macht deutlich: alles ist in Unordnung und verschoben. Die Welt, der Planet Erde, ist gefährdet.
Ein dritter Blick
Zurück zu den Rettungsringen mitten in den Meeren! Ich muss an die konkreten Flüchtlingsboote denken auf hoher See. Wer dort an Bord ist, hat kaum Chancen, sicher an Land zu kommen. Wie viele tausende Menschen sind im Mittelmeer ertrunken! Da nützen auch die Rettungsringe nichts. Sie sind leicht, unbedeutend, werden von der Strömung hin und her geworfen. Ein sicherer Hafen sieht anders aus.
Nun fällt mein Blick noch einmal auf den Kompass am rechten Bildrand und dort auf den Rettungsring: groß, gewaltig ist er. Wie ein Magnet zieht er meinen Blick an. Der Ring verbindet die Himmelsrichtungen miteinander. Das ist nicht willkürlich, sondern hat eine Bedeutung.
Ein letzter Blick
Der Kompass scheint überdimensional groß. Die Proportionen stimmen nicht. Während die Rettungsringe auf der Weltkugel schwach und unwirksam erscheinen, strahlt dieser Kompass, dieser Rettungsring etwas aus: Kraft, Halt, Orientierung. Die Ringe und Boote können das Auseinanderfallen nicht verhindern, es allenfalls moderieren, begleiten, in Kommunikation bleiben. Je länger ich den Blick auf das Bild und den Kompass lenke, desto stärker wird der Eindruck.
Doch, es gibt Rettung, es gibt einen Anker, es gibt Grund zur Hoffnung.
Aber was hat dieses Bild nun mit der Jahreslosung zu tun? „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Die Künstlerin will der Betrachterin, dem Betrachter zurufen:
„Sei barmherzig, lebe mit offenen Augen und Herzen, nimm den anderen in den Blick! Übernimm Verantwortung, überwinde Oberflächlichkeit und Egoismus! Die Kontinente sind miteinander vernetzt. Zieht an einem Strang. Lebt in Frieden miteinander!“
Theologische Überlegungen
Aber entspricht das der biblischen Aussage?
Die Jahreslosung stammt aus der Feldrede im Lukasevangelium. Sie ist das etwas kürzere lukanische Gegenstück zur Bergpredigt des Matthäusevangeliums. Es gibt viele Parallelen und gleichlautende Sätze und Aussagen wie zum Beispiel „Die Feinde zu lieben“ oder „dem der dich auf die Wange schlägt, die andere hin zu halten.“ Der Abschnitt über das zentrale Gebot der Liebe (Lk 6,27-36) wird von zwei zentralen theologischen Grundaussagen gerahmt: Vers 31 „Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, so tut ihnen gleichermaßen“ und Vers 36 „werdet barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist“.
Vers 31 ist im Volksmund bekannt mit den Worten: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.“ Diese Goldene Regel: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“, die schon mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt zum Beispiel aus China, Indien, Persien oder Ägypten überliefert ist, verlangt einen Perspektivwechsel und macht das Sich-Hineinversetzen in die Lage Betroffener zum Kriterium für ethisches Handeln. Wenn ich in Not bin, möchte ich auch von anderen Hilfe und Unterstützung erfahren, wenn ich Hunger erleide, wünsche ich mir, dass ein anderer mich stärkt und sättigt. So gibt also für mein konkretes Handeln und Verhalten das Nachdenken, wie es dem anderen geht, den Ausschlag. Dies ist schon etwas Besonderes. Von mir abzusehen, mich in die Situation des anderen hineinzuversetzen.
Auch Vers 36 hat eine Sprengkraft. Mit diesem Vers wird die ethische Auslegung, denen Gutes zu tun, von denen man nichts Gutes erwartet, zusammengefasst. Die wörtliche Übersetzung: werdet barmherzig, beinhaltet einen Prozess und eine Zusage: sich einerseits auf den Weg zu machen. Das ist es aber nicht alleine. Weil der Vater barmherzig ist, ist es allen Menschen möglich, barmherzig zu sein.
Weil Gott an uns barmherzig gehandelt hat, sollen – besser – können auch wir barmherzig sein. Gottes barmherziges Tun an uns geht all unserem Tun voraus. Gott handelt an uns barmherzig, noch bevor wir selbst etwas getan haben. Weil uns Barmherzigkeit von Gott geschenkt wird, weil er uns barmherzig begegnet, können auch wir barmherzig sein. Es geht hier also nicht um Werkgerechtigkeit: Wenn wir gerecht sind, wird Gott auch uns gegenüber gerecht sein, sondern es ist reine Gnade. Gott schenkt uns bedingungslos Barmherzigkeit. Aus ihr können wir leben und selbst barmherzig sein.
Er lenkt unsere Barmherzigkeit hin auf unsere Mitmenschen. Ihnen gegenüber sollen wir das erfahrbar machen, was Gott uns hat erfahren lassen: dass wir bedingungslos geliebt und von Gott unendlich beschenkt sind. Und wir begegnen Gott in unserem Mitmenschen: Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.
Homiletische gesellschaftliche Überlegungen
Auch wenn es vielleicht schon immer so war. Wir leben in einer Welt, einem Umfeld, in dem die Leistung des einzelnen zählt, in der es jeder und jede zu etwas bringen will, sich behaupten muss. So muss man sich über andere stellen, um besser zu sein. Wer sich umwendet, um einem anderen zu helfen, wer eigene Schwächen oder Ängste ausspricht und öffentlich macht, bleibt oft selbst zurück.
Das oberste Ziel unserer kapitalistischen Welt ist der Profit. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, welchen Stellenwert die Wirtschaft hat, aber gleichzeitig ist sie auch ein Brennglas für die Probleme dieser Zeit und hat Grenzen aufgezeigt.
Die Hauptbetroffenen der Pandemie sind die sozial Schwachen in unserem Land und der Welt, die Hauptbetroffenen der Schul- und Kitaschließungen sind die Kinder aus sozial gefährdeten Familien. Die Hauptbetroffenen sind diejenigen, die unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben müssen wie zum Beispiel die Mitarbeitenden in der Fleischindustrie.
Gerade im vergangenen Jahr 2020 ist wieder deutlich geworden, wie bedroht Menschen, Tiere und Pflanzen sind, mit welcher Maßlosigkeit Politiker an die eigenen Interessen denken, zum Beispiel der Meinung sind, sich Impfstoff für das eigene Land kaufen zu können und nicht davor zurückschrecken, andere zu diskriminieren, um selbst Vorteile zu erlangen.
Ja, es ist überdeutlich geworden, dass Appelle, barmherzig zu sein, nicht ausreichen. Das Einzige, was diese Welt retten kann, ist die Barmherzigkeit Gottes.
Seine Barmherzigkeit zu den Menschen und daraus folgend die Barmherzigkeit der Menschen untereinander.
Theologische Ansätze, die diesen Gedanken zu Grunde liegen
Von der Barmherzigkeit Gottes leben
An die Krippe des Christuskindes können wir nicht treten, wie an die Wiege eines anderen Kindes, sondern wer an seine Krippe gehen will, mit dem geht etwas vor, der kann nur gerichtet oder erlöst wieder von ihr fort gehen, der muss hier entweder zusammenbrechen oder er weiß die Barmherzigkeit Gottes sich zugewandt.
Was heißt das? Ist das nicht alles Redensart, pastorale Übertreibung einer schönen frommen Legende? Was heißt es, dass solche Dinge vom Christuskind gesagt werden? Wer es als Redensart nehmen will, der tue es und feiere Advent und Weihnachten weiterhin so heidnisch unbeteiligt wie bisher. Uns ist es keine Redensart. Denn das ist es ja, dass es Gott selbst ist, der Herr und Schöpfer aller Dinge, der hier so gering wird, der hier in den Winkel, in die Verborgenheit, in die Unansehnlichkeit der Welt eingeht, der in der Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit des Kindes uns begegnen und unter uns sein will – und das nicht aus Tändelei, aus Spielerei, weil wir das so rührend finden, sondern um uns zu zeigen, wo er sei und wer er sei, und um von diesem Ort aus alles menschliche Großseinwollen zu richten, und zu entwerten, zu entthronen. Der Thron Gottes in der Welt ist nicht auf den menschlichen Thronen, sondern in den menschlichen Abgründen und Tiefen, in der Krippe. Um seinen Thron herum stehen nicht schmeichelnde Vasallen, sondern dunkle, unbekannte, fragwürdige Gestalten, die sich an diesem Wunder nicht satt sehen können und ganz von der Barmherzigkeit Gottes leben wollen.
Dietrich Bonhoeffer
Die Hungrigen speisen
Die Werke der Barmherzigkeit sind nicht nur moralische Akte. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus denen, die diese Werke getan haben. Es sind also zugleich Christusbegegnungen. „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“ (Mt 25,35) – so lautet das erste Werk der Barmherzigkeit. Die gründlichste Armut ist der Mangel an Nahrung. Dem Hunger gilt deshalb die erste Aufmerksamkeit Gottes, und so heißt es in der Bergpredigt (Lukas 6,21): „Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.“ Die Hungernden werden nicht seliggepriesen, weil sie fromm sind, weil sie den rechten Glauben haben oder besser sind als andere. Sondern weil ihnen das Grundmittel zum Leben verweigert wird, das Brot, und weil sie gesellschaftlich verachtet sind.
Aber die Bibel ist nicht dazu da, um ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern um ein Gewissen zu machen. Das eigene Gewissen lernen heißt auch, Ungeduld und Zorn lernen über Zustände, in denen die einen überfressen sind und die anderen hungern. Zorn ist die Gabe derer, die sich nicht abfinden und die das Brot der Armen vermissen.
Die Werke der Barmherzigkeit haben einen politischen Namen: Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist strukturell gedachte Liebe. Eine solche Liebe weiß, was der Markt und die Ökonomie den Menschen antun können. Solidarität ist die Haltung, die die Bedingungen und die Strukturen des menschlichen Lebens bedenkt.
Zwischen Nächstenliebe und Solidarität besteht ein Unterschied in der Pointierung, nicht aber im Wesen. Solidarität ohne Liebe in rein moralisch-politischer Mechanik wird leer. Liebe ohne Intelligenz, Liebe ohne den Blick für Recht und Unrecht wird blind und hilflos.
Die Werke der Barmherzigkeit lehren: Alle Fremden gehen uns etwas an, alle Hungernden, alle Dürstenden und alle, die das Leben schlägt. Aber die Gebote Gottes sind nicht moralische Peitschen. Sie sind die Zumutungen eines schönen und menschenwürdigen Lebens.
Fulbert Steffensky
Der Mensch gleicht dem Flussbett, durch das das Wasser der Güte Gottes fließt. Darum wird auch nicht sofort zum Gebet oder zu einer religiösen Sonderleistung aufgerufen. Aber selbst ein Flussbett wird verändert durch Wasser, das es durchfließt. So will das Leben der Güte Gottes den Menschen öffnen zum Beten und zum praktischen Tun dessen, was sich angesichts auch einer feindlichen Welt aufdrängt, zu einem sorglosen und gerade so echt besorgten Leben, nicht zu patronisierender christlicher Liebe.
Eduard Schweizer
Bibelstellen zum Thema Barmherzigkeit aus NT und AT in der Lutherübersetzung
Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.
Hebräer 4:16
Geht aber hin und lernt, was das heißt: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.“ Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Matthäus 9:13
Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet.
Epheser 2:4-5
Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte,
und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.
Wasche mich rein von meiner Missetat,
und reinige mich von meiner Sünde.
Psalm 51:3-4
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Matthäus 6:14
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit
und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind.
Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretungen,
gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit,
HERR, um deiner Güte willen!
Psalm 25:6-7
Denn der Herr, euer Gott, ist gnädig und barmherzig und wird sein Angesicht nicht von euch wenden, wenn ihr euch zu ihm bekehrt.
2 Chronik 30:9b
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht und das Seine tut, wie es recht ist!
Psalm 112:5
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Psalm 23:6
Du aber, Herr, wollest deine Barmherzigkeit nicht von mir wenden; lass deine Güte und Treue allewege mich behüten.
Psalm 40:12
Wer seine Missetat leugnet, dem wird‘s nicht gelingen; wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.
Sprüche 28:13
Aber nach deiner großen Barmherzigkeit hast du mit ihnen nicht ein Ende gemacht noch sie verlassen; denn du bist ein gnädiger und barmherziger Gott.
Nehemia 9:31
Gebet
Lieber Vater im Himmel,
wir Menschen leben aus deiner Gnade. Du kennst uns, weißt um unsere Nöte und Ängste. Du siehst die Menschen, die hungern, die ihr Land verlassen müssen, die an Armut und Krankheit leiden. Du siehst deine bedrohte Schöpfung, das veränderte Klima, die leidenden Wälder, die sterbenden Vögel und Insekten.
Das Jahr 2020 hat der Welt viel zugemutet und viele Veränderungen gebracht. Wir glauben, dass Du in allen Umbrüchen und Einschränkungen deine Hand nicht von uns nimmst, dass wir in aller Bedrohung behütet werden, dass du diese Welt erlöst hast und erlösen willst.
Geh du mit uns, mit allen Menschen auf Erden, in das neue Jahr. Wir leben aus deiner Liebe und Barmherzigkeit, mit der du uns verändern und leiten willst. Lass uns dir vertrauen, mach du uns frei von Selbstüberschätzung und dem Kreisen um uns selbst. Die Welt, Gott, deine Schöpfung ist angewiesen auf Liebe und Barmherzigkeit, wir leben aus deiner Barmherzigkeit. Bleibe du bei uns auf den neuen Wegen.
Amen
Predigt bzw. Predigtelemente
A
Das neue Jahr, das Jahr 2021, beginnt. Vor einem Jahr hatte ich enorme Erwartungen. Irgendwie war mir der Aufbruch der 1920 Jahre von enormer Bedeutung. Ich dachte an den damaligen Wirtschaftsaufschwung, vor allem aber an die großen Impulse in Film , Theater, Literatur und Kunst. Viele Lieder z. B. der Comedian Harmonists wie „mein kleiner grüner Kaktus“ sind mir nach wie vor geläufig und begleiten mich immer wieder. Ja, ich hatte so etwas wie eine unausgesprochene Hoffnung tief in meinem Inneren, dass wir auch mal wieder eine solche Zeit erleben werden, wenn ich auch gleichzeitig dachte, na, das waren ja nur wenige Jahre bis dann die Zeit des Nationalsozialismus so vieles zerstörte.
Aber für meine Hoffnungen und Träume blieb wenig Zeit. Das neue Coronavirus wurde entdeckt, die Spannungen zwischen den USA und dem Iran eskalierten. Der Anschlag in Hanau erschütterte viele. Und dann legte die Pandemie die gesamte Welt lahm. Die Bilder der vielen Toten, der überforderten Krankenhäuser und Ärzte haben sich eingeprägt. Und dann der weltweite Lockdown!
B
Der Aufruf der Künstlerin Ute Wengenroth spricht vielen von uns aus der Seele. Die Kontinente müssen zusammenhalten, die Menschen füreinander einstehen. Die Welt schreit nach Gerechtigkeit, Solidarität und Veränderung. Sie ist in Unordnung und bedroht.Wenn das Virus sich über die Welt ausbreitet, dann müsste es doch selbstverständlich sein, dass die Menschen eben auch weltweit zusammenhalten.
Und doch sieht es ganz anders aus. Vieles, was in den letzten Jahren entstanden war, bricht auseinander. Bündnisse zerfallen. Länder versuchen, alleine ihre Probleme zu lösen. Viele nehmen dabei wirklich sehr viel Geld in die Hand, aber doch stehen immer wieder Machtinteressen, wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund. Die Bevölkerung ist verunsichert. Ängste bewirken, dass nationalistische, rassistische, populistische Strömungen zunehmen. Nicht Solidarität und Zusammenhalt sondern Vereinzelung – radikaler Egoismus – bestimmen das Weltgeschehen.
In diese Situation hinein spricht die Jahreslosung: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist."
C
Als ich ein kleiner Junge war, gab es in meiner Heimatkirche eine Missionsspardose, ein Spendenkästchen mit einer schwarzen Figur. Wenn man dort Geld hineinsteckte, bewegte die Figur den Kopf und nickte. Diese Figur – im Volksmund "Nickneger" genannt – sollte die Dankbarkeit des Schwarzen für die Spenden oder Almosen zum Ausdruck bringen.
Diese Dosen gab es seit Ende des 19. Jahrhunderts. Sie waren Ausdruck dafür, dass die hilfsbedürftige Bevölkerung dieser Länder unterstützt und gleichzeitig zu einem höheren Lebensstandard, zu einem höheren Lebensniveau, zum aufgeklärten Glauben geführt werden musste.
Ich unterstelle, dass diejenigen, die etwas in den Spendentopf warfen, es gut meinten, aber tief in ihrem Inneren das Bewusstsein hatten, dass sie etwas Besseres waren. Mitte der sechziger Jahre wurden diese Missionsspardosen abgeschafft. Das Bewusstsein der kirchlich Verantwortlichen hatte sich gewandelt. Die Bewohner der ärmeren Länder wurden nicht weiter als hilflose Bittsteller, sondern als gleichberechtigte Partner betrachtet. Aber m. E. sind bis heute die Arbeit in der Ökumene und die Unterstützung der Projekte in den Ländern des Südens immer noch von diesem karitativen Denken geprägt. Der Gebende und der dankbar Empfangende. Dies ist ein falsches Verständnis von Barmherzigkeit.
D
Die Corona-Pandemie zeigt überdeutlich: Die gesamte Welt ist bedroht und vom Virus betroffen. Auch wenn einzelne Präsidenten das anders zu sehen scheinen, es gibt keine Ausnahmen, man kann nicht sagen, die einen oder die anderen sind schuld. Wir alle stehen in der Verantwortung. Konsequenzen sind gefordert.
Der Aufruf, barmherzig zu sein, steht im Lukasevangelium in einer Rede, in der Jesus zu den Jüngern spricht und zu Feindesliebe aufruft, zu Gewaltverzicht. Jesus fordert dazu auf, nicht an sich selbst, sondern an den anderen zu denken. Das ist die tiefe Dimension von Barmherzigkeit.
Die Not des anderen zu sehen, sich einzufühlen, zu überlegen wie es dem anderen jetzt geht. Sie alle kennen das Sprichwort: Was du nicht willst, was man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.
E
Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Schwachen und Schutzlosen stärker vom Virus bedroht sind als die Wohlhabenden. Wer in einem Haus mit Garten lebt, kann sich wesentlich einfacher an das Ausgehverbot halten als jemand, der mit seinen drei Kindern in einer kleinen Wohnung im Hochhaus lebt. Jemand, der einen guten Schulabschluss und z. B. Zugang zu moderner Technik hat, kann seine Kinder beinahe sorgenfrei im Homeschooling unterrichten lassen, während viele Kinder aus sozial schwächeren Kreisen in den unterrichtsfreien Wochen wenig lernen konnten. Menschen in unserem Land können sich viel besser an die Abstandsregeln halten als z. B. die Menschen in Indien oder in den Slums in Afrika. So macht die Jahreslosung deutlich, sich immer wieder in die Situation des anderen einzufühlen und seine Not zur eigenen zu erklären.
F
Barmherzigkeit ist nichts anderes, als den anderen zu lieben, zu ehren und zu achten. Das, was die Welt zusammenhalten kann, ist nicht Geld und Macht alleine, sondern Liebe, Barmherzigkeit, Anteilnahme, Solidarität.
Es sieht so aus, dass wir Menschen dazu nicht in der Lage sind. Die Welt ist bedroht und wir denken nur an das eigene Wohlergehen. In beiden Teilen der Bibel steht der Gedanke der Barmherzigkeit immer wieder im Vordergrund. Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer. Ja, das ist der Maßstab, die Leitlinie. Den anderen zu sehen, mitzufühlen, mitzuleiden – barmherzig zu sein.
Nun aber haben wir gesehen, dass alle bedroht sind, dass alle Nationen und Kontinente, solange es keinen Impfstoff gibt, hilflos sind.
Und das ist die ungeheure Aussage unseres Glaubens. Im Tiefsten sind wir hilflos, haben wir nichts im Griff, sind wir dem Bösen ausgeliefert.
Der ev. Pfarrer Dietrich Bonhoeffer hat Pfarrerinnen und Pfarrer ausgebildet. War dann während der Zeit des Nationalsozialismus Pfarrer in London und ist zurückgekommen nach Deutschland, weil er mitgefühlt hat und seine Landsleute nicht alleine lassen wollte in dieser schlimmen Zeit. Er setzte sich für Gerechtigkeit und gegen das Unrechtsregime ein, er wurde gefangen genommen und wenige Tage vor Kriegsende sinnlos getötet. Er hat mit seinem Leben Zeugnis abgelegt von Liebe und Barmherzigkeit, vor allem aber von seinem festen Glauben. Er schreibt in seinen Überlegungen zu Weihnachten, zur Geburt Jesu, wie wichtig es ist, einzusehen, dass wir Menschen nicht aus eigener Kraft und Leistung leben können, sondern alles der Liebe und Barmherzigkeit Gottes verdanken.
Geliebt, anerkannt, befreit, geborgen zu sein – dies alles geht nicht aus eigener Kraft, sondern ist ein Geschenk. Ein Geschenk Gottes. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Gott uns so annimmt wie wir sind, ja, dass er uns so gewollt hat, dass er uns nicht aus den Augen verliert. Und das meint Barmherzigkeit.
Wir Menschen leben allein aus der Barmherzigkeit Gottes, nicht aus eigener Kraft und Leistung. Dies lässt dankbar und demütig sein und gibt vor allem Zuversicht. Denn das bedeutet ja, dass Gott alle Menschen im Blick hat, die Not aller sieht.
G
Wenn wir uns von dieser Liebe Gottes tragen und berühren lassen, werden wir verändert und werden selbst eine solche Liebe immer mal wieder in Ansätzen weitergeben können. Sicherlich, wenn man die Not der Menschen sieht, dann schmerzt das, tut weh. Aber das macht unser Leben aus. Gott im Mitmenschen zu sehen, im Leidenden Anteil zu nehmen, ihn zu begleiten. Das macht Leben aus: Not zu sehen, zu handeln in aller Bruchstückhaftigkeit und zu wissen, dass wir selbst in der Liebe, der Barmherzigkeit Gottes gehalten sind.
Ja, die Künstlerin hat in ihrem Bild Recht. Die Welt ist massiv bedroht, fällt auseinander, die Bötchen wirken schwach und schutzlos, aber Gott will Rettung für diese Welt, bietet Rettung an. Der Preis dafür: Abstand davon nehmen, groß und bedeutungsvoll sein zu wollen und sich selbst in den Vordergrund zu stellen.
Wer sich unter die Barmherzigkeit Gottes stellt, wird kein leichtes Leben haben, aber ein erfülltes.
Wer sich unter die Barmherzigkeit Gottes stellt, wird immer wieder leiden am Unrecht in der Welt, aber wird Segen erfahren und gesegnete Begegnungen.
Wer sich unter die Barmherzigkeit Gottes stellt, wird sich an kleinen Schritten freuen und für kleine Erfolge dankbar sein und immer wieder erfahren, dass er geliebt und getragen wird, sein Leben einen tiefen Sinn hat und er darf darauf vertrauen, dass Gott das Ganze im Blick behält.
Die Auslegung können Sie als PDF-Datei herunterladen:
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Literaturhinweise
- www.logo-buch.de