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Inhalt:
1. Zeittafel
2. Der Sonnengesang
2.1 Aufbau
2.2 Der Sonnengesang
2.3 Herr, dein ist das Lob
2.4 Sonne - unser Bruder
2.5 Schwester Mond und die Sterne
2.6 Bruder Wind und Wetter
2.7 Wasser - unsere Schwester
2.8 Feuer - unser Bruder
2.9 Mutter Erde - unsere Schwester
2.10 Ausharren in Frieden
2.11 Tod - unser Bruder
2.12 Dankt und dient ihm mit großer Demut
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Zeittafel zum Leben des Franziskus
1181/82
Geboren in der italienischen Stadt Assisi (in der Nähe des Marktplatzes). Sein Taufname ist Giovanni, aber sein Vater (Pietro di Bernardone) nennt ihn „Francesco“ (kleiner Franzose), da er durch den Tuchhandel mit Südfrankreich reich geworden ist.
1198
Die Bürger von Assisi zerstören die Burg (La Rocca), Symbol der kaiserlichen Herrschaft.
1199/1200
Bürgerkrieg in der Stadt Assisi zwischen dem Volk und dem Adel, der, aus der Stadt vertrieben, nach Perugia fliehen muss (darunter die Familie der Klara – diese ist erst 6 Jahre alt).
1202
Daher kommt es zum Krieg zwischen Perugia und Assisi. Der junge Franziskus ist unter den Kämpfern, wird gefangengenommen und bleibt ein ganzes Jahr im Kerker in Perugia. Während seine Mitgefangenen jammern, klagen und fluchen, verliert er seine Fröhlichkeit nicht, macht sich lustig über die Ketten und träumt von seinem künftigen Ruhm.
1203
Nach Assisi zurückgekehrt, ist er in der Stadt bekannt, geschätzt, beliebt, ein feiner, großzügiger und verschwenderischer junger Mann, der die Plätze und die Gassen der Stadt singend und spielend durchzieht. Er feiert oft und gerne: „der König der Feste“!
1205
Auf dem Weg zu einem zweiten Kriegszug nach Süditalien hat er in Spoleto einen Traum. Eine Stimme fragt ihn: „Wer kann dir Besseres geben, der Herr oder der Knecht?“ „Der Herr“ antwortete er. Und die Stimme: „Warum verlässt du also den Herrn um des Knechtes willen?“ Darauf Franziskus: „Was willst du, Herr, dass ich tue?“ „Kehre zurück in deine Stadt“, ordnet die Stimme an, „und dort wird man dir sagen, was du tun sollst.“ Franziskus kehrt um nach Assisi. Seine innere Wandlung beginnt. Durch die Landschaft von Assisi reitend, begegnet er einem Aussätzigen: Zuerst empfindet er Ekel, dann aber überwindet er sich, steigt vom Pferd ab und gibt dem Aussätzigen Geld und einen Kuss. Diese Begegnung bedeutet ein Schlüsselerlebnis in seiner Entwicklung, dieser Kuss wird nachhaltig wirken in seinem Leben.
1206
In der Stille und Einsamkeit von San Damiano, einer in der Nähe von Assisi liegenden verlassenen und halbzerfallenen Kirche, hört Franziskus die Stimme weiter reden: „Francesco, geh und baue meine Kirche wieder auf, weil sie zerfällt.“ Da er sich um den Wiederaufbau der Kirche von San Damiano bemüht und dafür das durch den Verkauf der Stoffe und des Pferdes enthaltene Geld verwenden will, gerät er in Konflikt mit seinem Vater, der ihn zuhause mehrere Tage in ein finsteres Loch einsperrt. In Abwesenheit des Vaters befreit ihn seine Mutter. Nach einem Aufenthalt in der Stille von San Damiano, wo er sich Klarheit, Mut und Kraft holt für seinen weiteren Weg, entschließt er sich zum entscheidenden Schritt: Vor seinem Vater und vor dem Bischof verzichtet er auf das väterliche Erbe und gibt dem Vater nicht nur das Geld, sondern selbst die Kleider, die er anhat, zurück.
1206-1208
Außer der Kirche Dan Damiano baut er noch zwei weitere Kirchen wieder auf (San Pietro und die Portiunkula).
1208
In der Portiunkula-Kapelle wird ihm klar, dass er nach dem Evangelium leben soll. Die ersten Gefährten schließen sich ihm an.
1209
Für die inzwischen entstandene Gemeinschaft schreibt er eine Lebensweisung (die erste Regel), zusammengesetzt aus Stellen des Evangeliums, und lässt sie von Papst Innozenz III. mündlich bestätigen. Nach kurzem Aufenthalt in Rivotorto lassen sich die ersten Brüder bei dem Portiunkula-Kirchlein nieder. Dieser Ort wird zum Ausgangs- und Treffpunkt der jungen Gemeinschaft.
1212
Klara schließt sich mit achtzehn Jahren der Bewegung an. Sie flieht bei Nacht von zu Hause nach Portiunkula, wo Franziskus und seine Gefährten sie mit brennenden Fackeln erwarten. Es entsteht der Orden der „Armen Frauen“. Franziskus vertraut der Klara und ihren Gefährtinnen San Damiano an als den Ort seines Herzens, als einen kostbaren Schatz. Klara wird diesen Ort lebenslang nicht verlassen. Sie wird nicht nur die Idee und dem Lebensstil des Franziskus treu bleiben, sondern auch dem ihr anvertrauten Ort. Erst nach ihrem Tod (1253) werden die Schwestern San Damiano verlassen und in die Stadt umziehen (jetzige Basilika von Santa Chiara).
1213
Graf Orlando von Chiusi bietet dem Franziskus und seiner Gemeinschaft den Berg La Verna als geeigneten Ort für die Einsamkeit und das Gebet an. Franziskus wird oft und gerne auf diesem Berg verweilen.
1217
Große Versammlung der Brüder bei der Portiunkula. Erste Aussendung der Brüder in die Länder jenseits der Alpen und nach Palästina. Es beginnt die rasche Ausbreitung der franziskanischen Bewegung.
1219
Franziskus reist nach Ägypten, wo der 5. Kreuzzug der Christenheit gegen den Islam im Gang ist (1217-1221). Die Kreuzfahrer fleht er an, nicht zu kämpfen: er wird ausgelacht. Der Kreuzzug endet mit einer vernichtenden Niederlage für die Christen. Ohne Schutz und unter Lebensgefahr gelingt es ihm, bis zum Sultan vorzudringen, mit ihm zu sprechen und ihm das Evangelium zu predigen.
1220
In Eile kehrt er nach Assisi zurück, besorgt über die Auseinandersetzungen und Fehlentwicklungen des Ordens in seiner Abwesenheit.
1221
Fünftausend Brüder versammeln sich in Portiunkula (das sog. Mattenkapitel). Eine neue (uns erhaltene) Regel wird von der Versammlung verabschiedet (die nicht bullierte, d.h. noch nicht vom Papst bestätigte Regel).
1223
Die endgültige Regel für die Brüder wird von Franziskus geschrieben und vom Papst bestätigt (die bullierte Regel).
Er feiert Weihnachten in Greccio. Er will die Geburt Jesu bildhaft darstellen und inszeniert eine lebendige Krippe mit Ochs und Esel.
1224
Franziskus zieht sich zurück auf den Berg La Verna, um zu fasten (15. August bis 30. September). Hier empfängt er die Wundmale.
1225
In San Damiano dichtet er den Sonnengesang.
1226
Am 3. Oktober stirbt Franziskus bei der Portiunkula. Am nächsten Tag wird sein Leichnam von der Portiunkula über San Damiano in die Stadt Assisi getragen und in der Kirche San Giorgio beigesetzt (heute eine Seitenkapelle der Basilika Santa Chiara).
1228
Franziskus wird in Assisi von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Im selben Jahr beginnt der Bau der großen Basilika zu seiner Ehre. Bruder Thomas von Celano, der Franziskus jahrelang gekannt hat, wird beauftragt, die erste Biographie des Heiligen zu schreiben.
1230
Die Überreste des hl. Franziskus werden in seine Basilika überführt.
Sonnengesang – Entstehung und Deutung
Der Gesang von Bruder Sonne
Franz v. Assisi ist durch die Geschichte hindurch stets lebendig geblieben. Heute ist er wieder besonders aktuell. Wir spüren, wie er Antwort gibt auf manche Fragen unserer Zeit. Sein ausdrückliches und beispielhaftes Leben nach dem Evangelium, sein Friedenseinsatz, sein besonderes Verhältnis zur Natur und seine bewusste souveräne Annahme des Todes sind auffallende Kennzeichen seines Lebens, die uns herausfordern. Vor allem berührt uns ein Lied, in dem diese Kennzeichen zu einem Gedicht verdichtet erscheinen: der Sonnengesang. In ihm spiegeln sich Gottes- und Welterfahrung des heiligen Franziskus.
Der Sonnengesang hat seine Vorgeschichte. Er ist nicht von heute auf morgen entstanden, sondern aus der alltäglichen Art und Weise, wie Franziskus betete. Er zog sich oft zur Meditation in die Einsamkeit zurück, um dann wieder als Wanderprediger Friede und Heil unter die Menschen zu tragen. Diese Spannungseinheit von Kontemplation und Aktion schlägt sich in seinen Gebeten nieder als Tiefe und Weite, als Sammlung und Sendung. Davon ist auch der Sonnengesang geprägt.
Der Gesang von Bruder Sonne (Cantico di frate Sole) gehört zu den ersten wichtigen Schöpfungen der italienischen Sprache, aufgeschrieben in jener umbrischen Volkssprache (Volgare), in der Franziskus wohl die meisten seiner Schriften diktiert hat, ehe sie von schulmäßig gebildeteren Brüdern ins Lateinische übertragen wurden. Den Sonnengesang in seiner Originalsprache laut zu lesen oder zu hören, vermittelt auch dem ungewohnten Ohr etwas von seiner Klangfülle und Lautmalerei.
Atissimu onnipotente bon signore,
tue so le laude, la gloria e l’onore et onne benedictione.
Ad te solo, altissimo, se konfano,
et nullu homo ene dignu te mentovare.
Laudato si, mi signore, cun tucte le tue creature,
spetialmente messor lo frate sole,
lo qual’ è iorne, et allumini noi per loi.
Et ellu è bellu e dadiante con grande splendore,
de te, altissimo, porta signififatione.
Laudato si, mi signore, per sora luna e le stelle,
in celu l’ai formate clarite et pretiose et belle.
Laudato si, mi signore, per frate vento,
et per aere et nubilo et sereno et onne tempo,
per lo quale a le tue creature dai sustentamento.
Laudato si, mi signore, per sor aqua,
la quale è molto utile et humile et pretiosa et casta.
Laudato si, mi signore, per frate focu,
per lo quale enn’ allumini la nocte,
ed ello è bello et iocundo et robustoso et forte.
Laudato si, mi signore, per sora nostra matre terra,
la quale ne sustenta et governa,
et produce diversi fructi con coloriti flori et herba.
Laudato si, mi signore, per quelli ke perdonano
per lo tuo amore, et sostengo infirmitate et tribulatione.
Beati quelli ke ‘l sosterrano in pace,
ka da te, altissimo, sirano incoronati.
Laudato si, mi signore, per sora nostra morte corporale,
da la quale nullu homo vivente po’ skappare.
Guai a quelli, ke morrano ne le peccata mortali:
beati quelli ke trovarà ne le tue sanctissime voluntati,
ka la morte secunda nol farrà male.
Laudate et benedicete mi signore,
et rengratiate et serciateli cun grande humilitate.
Die älteste Abschrift des Sonnengesangs ist in einer Pergament-Handschrift erhalten. Dieser Codex 338 wurde um 1250 geschrieben und befindet sich heute wieder im Sacro Convento zu Assisi. Die Abschrift weist zwischen der ersten und zweiten Zeile einen Zwischenraum für Noten auf. Leider sind sie aber weder hier noch in anderen alten Handschriften eingetragen. So ist die Originalmelodie nicht mehr bekannt. Es dürfte sich jedenfalls um eine Art Psalmton gehandelt haben, der auf alle Verse anzuwenden war. In dieser ältesten Handschrift heißt es einleitend zum Sonnengesang: „Hier beginnt das Loblied der Geschöpfe, das der selige Franziskus zum Lob und zur Ehre Gottes verfasst hat, als er bei San Damiano krank war.“
Bruder Thomas von Celano, dem wir zwei frühe Biographien über den heiligen Franziskus verdanken, geht in seiner zweiten Lebensbeschreibung ausführlich auf die vielen Krankheiten ein, unter denen Franz zu leiden hatte und die er seine Schwestern nannte. Von Jugend an war er durch eine chronische Malaria geschwächt, die sich in Schüttelfrost, Übelkeit und Kopfweh äußerte. Im Orient hatte er sich eine Augenkrankheit zugezogen. Er litt an einer Anämie, an Magen- und Darmgeschwüren, seit Herbst 1224 an den Wundmalen, die ihm das Gehen erschwerten; hinzu kam das Geschick seines Ordens, der nicht mehr die Wege des Anfangs gehen wollte und ihm mehr und mehr das Herz schwer machte. Er fühlte sich gescheitert, am Ende seiner Kraft. Während er so niedergeschlagen in einer aus Strohmatten errichteten Hütte bei San Damiano lag, erfuhr er die helfende Hand Gottes, hörte neu und ganz persönlich an ihn gerichtet die Verheißung des Herrn: „Meines Reiches Brautpfand ist deine Krankheit, und als Preis der Geduld erwarte sicher und gewiss das Erbteil an diesem Reich.“ Damals dichtete er das Loblied auf die Geschöpfe und feuerte sie an, nach Kräften den Schöpfer zu loben (2 Celano 213).
Nach dem Bericht der engsten Gefährten („Textsammlung von Perugia“) ist der Sonnengesang im Winter 1224/25 beim Klarissenkloster zu San Damiano entstanden. Nur die Friedens- und Todesstrophe verlegt sie in spätere Zeit. Die Verse vom Verzeihen und Ausharren in Frieden seien gedichtet, um einen Streit zischen Bischof und Bürgermeister von Assisi zu schlichten. Die Verse über Bruder Tod habe Franz erst kurz vor seinem Sterben hinzugefügt.
Ob eine solche – anderen Quellen unbekannte – stufenweise Entstehung des Sonnengesangs den historischen Tatsachen entspricht, ist umstritten. Es spielt für den Inhalt und die Bedeutung des Liedes auch keine Rolle. Wichtiger ist die Tatsache, dass der Sonnengesang nicht in einer Hochstimmung des Gemüts geschrieben wurde, etwa nach einem schönen Frühlingsmorgen, wie man leichthin vermuten könnte, sondern dass er nach einhelligem Zeugnis aus Krankheit und Not herausgewachsen ist.
Klarer und tiefsinniger Aufbau
Der Sonnengesang ist sozusagen erlitten. Das macht ihn umso sympathischer und wert, tiefer in seinen Aufbau und Sinngehalt einzudringen.
Seine Struktur ist leicht zu durchschauen. Er umfasst zehn Strophen: eine Einleitungs – und Schluss Strophe, dazwischen acht Strophen, die alle beginnen mit: „Gelobt seist du, mein Herr“. Dadurch ergibt sich eine Dreiteilung des Liedes: Aufgesang, Hauptgesang, Abgesang. Der feierlichen Gottesanrede am Anfang entspricht der missionarische Aufruf am Schluss. Dazwischen wird das Thema des Gotteslobes jeweils variiert: immer neue Geschöpfe treten auf; für sie und durch sie möchte Franziskus seinen Herrn loben. „Per“ bedeutet „für“ und „durch“; beide Übersetzungen sind berechtigt. Da Franz von Assisi – im Unterschied zu Lobpsalmen – stark die Eigenschaften der Elemente und ihre Nützlichkeit betont, lobt und dankt er Gott wohl eher für sie, als dass er Gott durch sie preist, sie sozusagen als Mittel benutzt. Allerdings betont er in der Einleitung auch stark die Unwürdigkeit des Menschen, Gott überhaupt zu nennen, und ruft deswegen die Geschöpfe, ihm im Loben Gottes zu helfen. In anderen Gebeten ruft er hierfür die Engel und Heiligen an.
Im Aufzählen der Geschöpfe und Elemente herrscht eine bestimmte Ordnung: vom Himmel zur Erde, dann zum Menschen. Zuerst kommt das Universum als Makrokosmos zur Sprache, dann der Mensch als Mikrokosmos. Den Himmel vertreten Sonne, Mond und Sterne, die Erde die vier Elemente Luft, Wasser, Feuer, Land. Nach antikem Weltbild sind dies die Urstoffe, die alles übrige symbolisieren und einschließen.
Beim Menschen stellt Franziskus nicht dessen Überlegenheit über Pflanzen und Tiere heraus, sondern sieht ihn als Wesen, das entscheiden kann. Meinungsverschiedenheit, Streit, Krankheit und schließlich der Tod bringen ihn in Krisensituationen. Er soll bereit sein zur Versöhnung, Geduld und Frieden. Daran entscheidet sich im Tod Seligkeit oder Verdammung. „Selig“ und „wehe“ sind die beiden äußersten unwiderruflichen Urteile über den Menschen, der stirbt.
So gelingt es dem Dichter und Mystiker, wirklich alles in seinen Lobpreis der Schöpfung einzubeziehen, auch den Tod und das vom Menschen selbst entschiedene Schicksal danach.
Um im Sonnengesang noch eine interessante tiefere Struktur zu entdecken, muss man berücksichtigen, dass „Sonne“ im Italienischen männlich, „Mond“ dagegen weiblich ist. Von daher ergibt sich im Lied ein regelmäßiger Wechsel zwischen Bruder- und Schwester-Anrede. Dies bringt in die Welt der Gestirne und Elemente eine harmonische Ordnung nach Art einer Familie:
Herr Bruder Sonne und Schwester Mond
Bruder Wind und Schwester Wasser
Bruder Feuer und Schwester Mutter Erde.
Der Kosmos ist nach drei Geschwisterpaaren geordnet. Dabei werden die kleineren Elemente wie jüngere Geschwister schützend in die Mitte genommen. Sie sind umfangen von dem großen kosmischen Paar: Herr Sonne und Mutter Erde. Um diese franziskanische Sicht der Schöpfung als Großfamilie hervortreten zu lassen, haben wir in der Übersetzung die ungewohnte Rede von „Bruder Sonne“ und „Schwester Mond“ gewählt. Dazu passen auch eher die Eigenschaften, die ihnen Franziskus zuschreibt.
Neben der sich ergänzenden Polarität der Geschlechter finden sich im Sonnengesang weitere Gegenüberstellungen, so der Gegensatz von „selig“ und „wehe“. Darüber hinaus spannt sich ein weiter Bogen vom ersten Wort zum letzten: „Höchster“ – „Demut“. Entsprechend lassen sich auch die anderen Ausdrücke der ersten und letzten Zeile einander zuordnen. Wie gegenüber dem „Höchsten“ auf Seiten des Menschen „Demut“ entspricht, so gegenüber dem „Allmächtigen“ das „Dienen“ und gegenüber dem „guten Herrn“ das „Danken“ des Menschen. Wenn man „die Linien auszieht, die zwischen den jeweils einander zugeordneten Begriffen bestehen, entsteht das sternenförmige Christusmonogramm“ (A. Rotzetter).
Für einen Bezug zwischen erster und letzter Zeile des Sonnengesangs sprechen auch die in diesen Zeilen vorherrschenden Vokale: in der ersten überwiegt im italienischen Original das O, in der letzten das A. Alpha und Omega als Anfangs- und Endbuchstaben des griechischen Alphabets gehören in der Kunst oft zum Christusmonogramm hinzu.
Mehrere Ausleger haben auch schon im „Herrn Bruder Sonne“ Christus angesprochen gesehen. Denn in altchristlichen Hymnen wird Christus genannt: Sonne der Gerechtigkeit, unbesiegte Sonne, Abglanz des Vaters. Schließlich spricht auch die Anzahl der Verszeilen dafür, in dem Lied ein verborgenes Christus-Monogramm zu sehen: Es sind nämlich 33 Zeilen, den Lebensjahren Jesu entsprechend.
Nicht jeder kritische Geist wird dieser hintergründigen Auslegung zustimmen. Wir haben auch keine Beweise, dass Franziskus seinen Sonnengesang so verstanden hat. Aber wir finden bei Franz von Assisi genug Hinweise, dass er die Schöpfung von Christus durchwaltet sah.
Bleibende Aktualität
Der Sonnengesang ist weder bloße Naturlyrik noch Naturmystik, sondern eine Hymne an Gott, dessen Schönheit sich im Geschöpf offenbart und der in Christus die Welt erlöst hat. Durch das universale Versöhnungswerk Christi ist das ganze All zu einer kosmischen Bruderschaft zusammengeschlossen. Alle sind Kinder des einen Vaters. Franziskus will als Bruder aller Geschöpfe mit ihnen allen, durch sie und für sie Gott loben und danken in kosmischer Liturgie. Er zeichnet ein großes Kreuz über die Welt. In diesem Zeichen ist sie erlöst und für alle Zeiten gesegnet.
Der Sonnengesang begnügt sich nicht mit dem Lobpreis Gottes, sondern stellt den Menschen auch vor Entscheidungen. Dieser ist in seinem sozialen Verhalten und demütigen Dienst vor Gott gefordert. Verzeihen, Dulden, Friedenstiften, gottergeben Sterben rühren an das Wesen unserer Existenz und unserer sozialen Beziehungen. Darum bleibt der Sonnengesang für jede Zeit aktuell. Die unausweichliche Frage der Bewältigung der Zukunft angesichts der ökologischen Krise, das Problem der Abrüstung und Friedenssicherung wie auch das Verdrängen des Todes in unserer Gesellschaft steigern noch seine Aktualität und rufen nach einer franziskanischen Antwort. Sie ist im Sonnengesang gegeben. Er ist eine bezaubernd schöne Gabe des heiligen Franz an uns, aber noch mehr: eine bleibende beunruhigende Aufgabe, die uns herausfordert.
Der Sonnengesang des Franz von Assisi
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
besonders dem Herrn Bruder Sonne,
der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
für Schwester Mond und die Sterne,
am Himmel hast du sie geformt,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
für Bruder Wind,
für Luft und Wolken, heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deine Geschöpfe am Leben erhältst.
Gelobt seist du, mein Herr,
für Schwester Wasser,
sehr nützlich ist sie
und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
für Bruder Feuer,
durch den du die Nacht erhellst.
Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
für unsere Schwester Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt,
mit bunten Blumen und Kräutern.
Gelobt seist du, mein Herr,
für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Not.
Selig, die ausharren in Frieden,
denn du, Höchster, wirst sie einst krönen.
Gelobt seist du, mein Herr,
für unseren Bruder, den leiblichen Tod;
kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen keine Leid antun.
Lobet und preiset meinen Herrn
und dankt und dient ihm
mit großer Demut.
Franz von Assisi ist der Begründer des Ordens der Minderen Brüder (Franziskaner). Sein Leben ist die Geschichte einer leidenschaftlichen Gottessuche und einer große Liebe zu den Menschen und der ganzen Schöpfung. |
Franz von Assisi ist der Begründer des Ordens der Minderen Brüder (Franziskaner). Sein Leben ist die Geschichte einer leidenschaftlichen Gottessuche und einer große Liebe zu den Menschen und der ganzen Schöpfung. |
Herr, dein ist das Lob
Der Mensch unserer Tage dringt mit einem gewaltigen Aufwand an Geist und Geld in das Weltall vor. Er sendet Sonden zum Mars und zur Venus und kann so die Unermesslichkeit des Weltalls viel eher erahnen als je ein Mensch zuvor.
Ihm leuchtet die unendliche Erhabenheit Gottes in neuem Lichte auf. Aber gleichzeitig bedrängt ihn die Frage, was diese kleine Erde und noch mehr, was der Mensch dieser Welt wohl für Gott bedeuten könne.
Vermag ein Schiffbrüchiger in den Fluten des Meeres zu hoffen, gesehen zu werden, wenn hoch über ihm am Himmel ein Flugzeug seine Bahn zieht?
Der Vorstoß ins Weltall bringt uns beängstigend klar die Erkenntnis, dass unsere Erde in einer Unzahl von Welten nur ein Staubkorn ist und der Mensch ein Nichts. Sein Leben ist verglichen mit den Zeiträumen der Gestirne, die mit Milliarden Jahren nicht zu messen sind, ein unsagbar kurzes Aufflammen, das erlischt, noch ehe es wirklich leuchten konnte. Worin besteht aber dann der Sinn des Lebens?
Vor dieser Frage muss der Mensch verstummen.
Allein die Offenbarung des Dreifaltigen Gottes erschließt und sichert uns den Sinn unseres Daseins. Gott hat nun eben seinen Sohn in diese, unsere unbedeutende Welt gesandt, um uns den Weg in sein Reich und sein Leben zu öffnen. Gottes Sohn ist Mensch geworden, ein Mensch wie wir. Ein kurzes Aufleuchten seiner Liebe war der Welt geschenkt. Dann ist dieses Leben, nach dem Gesetz des Todes, dem jeder Mensch unterworfen ist, erloschen.
Christus war Mensch, „in allem uns gleich, ausgenommen die Sünde“. Aber er, der wahrer Mensch war, ist dennoch Gott geblieben. So konnte er den Tod besiegen und im Geheimnis der Auferstehung das Licht seiner Liebe und seines göttlichen Lebens für immer in diese unsere Welt senken. In ihm ist uns unvergängliches Leben gegeben. Wir sind Kinder des unendlichen Gottes und in seiner Liebe tiefer geborgen, als wir es in unserer verwundeten Welt erfahren können.
Die neugewonnene tiefere Einsicht in die Größe des Weltalls kann uns nicht mehr entmutigen. Sie stärkt vielmehr unser Vertrauen, dass Gott, der Welten erschuf und erhält, groß und mächtig genug ist, um jedes seiner Kinder auf dieser Erde zu schauen und zu sichern. Was der Mensch aus sich nicht kann, als Kind Gottes darf er den Vater preisen und alles Schöne als Zeichen seiner Güte und seines Segens erkennen.
Sonne – unser Bruder
Wir steigen den steilen, dunklen Wald aufwärts. Die hochgewachsenen Bäume geben kaum einen Blick frei zum Himmel mit seinen fernen Sternen. Im Wald ist die Nacht noch dunkler und das schwache Licht der Laterne kann diese Dunkelheit nicht besiegen, aber es gibt Licht genug, um den schmalen Weg nicht zu verlieren. Irrwege können wir uns nicht leisten, denn wir möchten noch vor Sonnenaufgang am Gipfel stehen.
Über der Waldgrenze mildert sich die Dunkelheit. Allmählich werden die Bergketten sichtbar, grau und schattenhaft. Am Gipfel, wir haben ihn vor Sonnenaufgang erreicht, pfeift uns ein kalter Wind ins Gesicht, der erste Vorbote der wärmenden Sonne. Und dann verändert sich die Welt von Augenblick zu Augenblick. Die grauen, flachen Felswände leuchten und werden lebendig. Schluchten werden sichtbar und brennendrote Grate. Die weiten Flächen der Gletscher, gegen das Tal hin noch dunkel und schwarz, bekommen Farbe und Leben, werden blau und violett und glühen in einem herrlichen Rot. Und dann wird es auch schon hell im Osten. Über dem fernen Grat zittern die ersten Strahlen der Sonne, und schon stehen wir in ihrem blendenden Licht und in ihrer wohltuenden Wärme. Die Nacht ist vorüber. Ein Tag beginnt – die Sonne ist aufgegangen.
Das Gipfelkreuz leuchtet in der frühen Sonne. Es ist das Zeichen dessen, der sagen durfte: „Ich bin das Licht der Welt.“ Einer Welt, die immer neu in Nacht und Finsternis zu versinken droht. Aber auch die furchtbarste Macht der Finsternis kann dieses Licht nicht löschen. Es ist das Licht der Liebe, die den Tod in der Auferstehung besiegt hat, der Liebe dessen, der bei uns ist bis zum Ende der Welt. Mag es uns auch scheinen, das Licht sei nicht imstande, die geistige Dunkelheit unserer Tage zu erhellen. Es ist hell genug, um den schmalen Pfad zu finden, der aufwärts führt.
Vor Irrwegen wird es uns bewahren, damit wir dorthin finden, wo nach dem Wort der Heiligen Schrift die Sonne nicht mehr scheinen muss, weil über denen, die ihr Ziel erreichen, die Herrlichkeit Gottes leuchtet. Wie mag das sein, wenn wir, berührt vom Licht des lebendigen Gottes, ein leuchtendes Leben erhalten, wenn alles, was in uns dunkel und bedrohlich war, von seinem Glanz erhellt wird? Dann schwindet jede Furcht, dann gibt es kein Versagen, dann dürfen wir den Glanz des unendlichen Gottes in uns tragen und einander weiterschenken. Der Mensch braucht Sonne. Aber das Herz verlangt mehr. Es sucht die Wärme des Herzens. Wer könnte und müsste sie eher vermitteln als der Mensch, der um die Liebe Gottes weiß.
Schwester Mond und die Sterne
Unsere Welt ist entzaubert. Der Mond ist vom Geist und Können des Menschen besiegt. Aber wenn er als glühender Ball hinter den Graten der Bergketten aufsteigt, wenn er einer dunklen Welt sein geheimnisvolles Licht schenkt, dann ist er nicht mehr der Besiegte. Er ist auch heute noch das Licht, das die Nacht erhellt, Zeichen des Trostes, wie er es für die Menschen seit Jahrtausenden war.
Wer hinter unserem Weltall den unendlichen Schöpfer ahnt, für den beginnt die Nacht mit dem Licht des Mondes und dem Leuchten der Sterne zu sprechen. Sie kündet die Allmacht und unendliche Erhabenheit Gottes, die trotz aller unfassbaren Größe nichts Abweisendes und nichts Erschreckendes in sich birgt. Wer in einer sternklaren Nacht zum Himmel aufschaut, der ist verbunden mit den ungezählten Menschen, die je auf dieser Erde gelebt haben und die Frage nach Gott gestellt haben. Abraham hat zum Sternenhimmel aufgeschaut und hat Vertrauen gewonnen in die Allmacht Gottes, dem nichts unmöglich ist. Zum selben Sternenhimmel haben seine Nachkommen in den KZ-Lagern des Grauens aufgeblickt und haben in den dunkelsten Nächten ihres Lebens nach Gott, der über den Sternen ist, gerufen. Vergebens?
Gott, der Herr des unermesslichen Weltalls, hat mehr zu geben als ein kurzes Leben auf dieser Erde. Wer zu ihm ruft in der Not seines Lebens, dem öffnet er das Tor in ein Reich des Lebens, der Liebe und der Freude, jenseits dieser Welt. Milliarden ferner Sterne künden uns die Größe und die Herrlichkeit Gottes, der in sein Reich göttlichen Lebens ruft, das wir Himmel nennen.
Sterne, Zeichen der Verheißung!
Ein leuchtendes Sternenbild war es, das die Weisen aus den fernen Ländern nach Bethlehem geleitete, um sie zu Gott zu führen, der Mensch geworden ist. Sie durften ihn finden, denn sie waren suchende und ehrfürchtige Menschen. Sie haben nur ein Kind gefunden und haben sich doch vor ihm gebeugt. Wollen wir Gott finden, dann kann es nur in Ehrfurcht vor seiner Größe geschehen und in dankbarem Staunen über die Schönheit seiner Welt.
Die Sterne waren den Seefahrern längst vergangener Jahrhunderte die einzigen Orientierungshilfen bei ihren kühnen Fahrten über das Meer. Sollten sie dem Menschen unserer Tage, der orientierungslos der Hast des Lebens ausgeliefert ist, nicht Hilfe sein, zu dem zu finden, der hinter den Sternen lebt?
Mit den Augen und dem Herzen eines Franziskus müssten wir durch eine sternenerhellte Nacht wandern, dann würden wir sie sprechen und das Lob Gottes künden hören!
Bruder Wind und Wetter
Wunderbar ist es, irgendwo weitab vom hastenden Verkehr unserer Autobahnen, in einer Wiese zu liegen und in den Himmel zu schauen. Tiefblau leuchtet er durch die Zweige und Blätter der Bäume, die dem, der da liegt und schaut, milden Schatten spenden. Ein leiser Wind spielt mit den zarten Blättern, die farbig aufleuchten, sobald sie ein Strahl der Sonne trifft.
Das leise Wehen des Windes! Im dritten Buch der Könige wird uns von einer Gottesbegegnung berichtet, die der Prophet Elias erfahren durfte. Da heißt es: Ein heftiger Sturmwind fuhr vor ihm her, aber Gott war nicht darinnen, dann ein Erdbeben, aber Gott war nicht in dem Erdbeben, dann ein Feuer, auch hier war Gott nicht, danach ein leises, sanftes Säuseln des Windes – da war Gott ihm begegnet.
Trostreich ist diese Offenbarung Gottes für die Menschen unserer Zeit, die um die Irrwege wissen. Wir sind daran, die Erde zu zerstören, den Tod in die Wälder zu tragen und die Luft zu verpesten. Wer auf einer Wiese liegend in den klaren, blauen Himmel schauen darf und die reine, kräftige Luft atmet, kann sich dessen nicht freuen, wenn er an Smogalarm für Hunderttausende denken muss und an die Menschen in der größten Stadt der Erde, die Gasmasken tragen müssen, um leben zu können.
Stehen uns Katastrophen bevor? Müssen erst Kriege alles zertrümmern, was wir aufgebaut haben, um die Erde zu retten? Gott war nahe im sanften Wehen des Windes. Er kann in seiner Allmacht mit der stillen Kraft der Gnade die Rettung bringen. Franziskus war von solcher Gnade berührt worden und konnte der verweltlichten Kirche seiner Tage ohne Gewalt, ohne revoltierendes Aufbegehren ein neues Gesicht geben, eine Umkehr zum Herrn.
Wer an die stille, aber wirksame Macht der Gnade glaubt, kann den leisen Wind preisen und auch die Größe Gottes um des Sturmes willen loben.
Wenn von den Bergen unserer Alpen der Föhnsturm braust, dann färbt sich im Abendlicht der Himmel in wunderbarere Farbenpracht. Die Luft wird glasklar und die Grate und Türme der Berge scheinen greifbar nahe. Wer da am Berg steht, erlebt die Macht des Sturmes und heilsam die Ohnmacht des Menschen, der sich mit aller Kraft an den Felsen festklammern muss, um nicht in die Tiefe gerissen zu werden. Da geht einem erst auf, was die Jünger am See erleben durften, als der Herr dem Sturm mit einem einzigen Wort Einhalt gebot. So offenbarte er im Sturm seine göttliche Kraft für alle Zeiten und alle Stürme, die uns bedrohen.
Wasser – unsere Schwester
Unermüdlich rauscht das Wasser über steile Felsen. Es bricht sich an den mächtigen Steinen, so dass es wie feiner, glitzernder Staub hinaufgeworfen wird in die klare Luft und wie ein unendlich zarter, leuchtender Schleier wieder herabsinkt auf die Erde.
Wunder des Wassers!
Ob es die Quelle ist, die aus der Tiefe des Berges kommt und Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr – und dies seit Jahrtausenden – die lebensspendende Gabe schenkt, ob es der Bergbach ist, der sich seinen Weg durch die Wälder und Wiesen erobert hat, oder der Strom, der mächtige Lasten trägt, oder die Weite des Meeres: Wasser ist ein Geschenk des lebendigen Gottes!
Heilige Stätten waren die Quellen für die Menschen der heidnischen Vorzeit. Nur mit Ehrfurcht durfte sich der Mensch ihnen nähern.
Unserer säkularisierten Zeit ist das Wasser Rohstoff geworden, den wir in Sekundenlitern messen und dessen finanziellen Ertrag wir mit peinlicher Genauigkeit berechnen.
Haben wir das Wort des Herrn vergessen: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet“?
Gewiss, auch das Wasser ist dem Menschen gegeben, dass es ihm diene. Aber nur dem wird diese Gabe zum Segen werden, der sie in ehrfürchtiger Dankbarkeit entgegennimmt.
Der Assuan Staudamm, der Ägypten Reichtum bringen sollte, lässt das einst so herrlich fruchtbare Niltal veröden. Die Dürrekatastrophen in weiten Teilen der Welt sind Warnung in allerletzter Stunde. Der Mensch muss zu einer Ehrfurcht und Bescheidenheit zurückfinden, die wohl kaum einer schöner ausgedrückt und echter gelebt hat als der heilige Franziskus.
Niemand wäre so sehr berufen und so tief verpflichtet zur Ehrfurcht und Dankbarkeit für die Gabe des Wassers wie wir Christen.
Wir sind ja im Zeichen des Wassers und in der Kraft des Heiligen Geistes „der über den Wassern schwebte“, zu Kindern des lebendigen Gottes geworden.
Wasser ist das Zeichen der Taufe, durch die wir Leben aus der unendlichen Lebensfülle des Herrn empfangen. Eine Lebenskraft wird uns geschenkt, die nicht einmal der Tod zu zerstören vermag, eine Lebensfülle, die alles Leben, alles Blühen, alles Wachsen und Gedeihen dieser Erde übersteigt.
Feuer – unser Bruder
Kann der moderne Mensch das Feuer noch als Wohltat Gottes erkennen, als Geschenk seiner Liebe?
Ihm spendet die Zentralheizung die Wärme seines Hauses, die sich automatisch ein- und ausschaltet, programmiert ist, wie so vieles in seinem Leben. Er erlebt nicht mehr das leise, verheißungsvolle Knistern des anhebenden Feuers und das Prasseln und Flammen der brennenden Scheiter. Ihm ist der Blick in die glimmende Glut verwehrt. Er kniet nicht mehr vor dem erlöschenden Feuer, um aus voller Lunge hineinzublasen und aus der sterbenden Glut neue Flammen zu wecken und so die Wohltat der Wärme weiter zu sichern.
Feuer? Ja, wir kennen Bildberichten von verheerenden Waldbränden, die uralten Waldbestand sinnlos vernichten.
Feuer? Es erinnert an brennende Städte, an lodernde Flammen aus den hohen Dächern herrlicher Kathedralen, an trostlose Ohnmacht, an die Hölle von Nagasaki und Hiroshima. Mit keinem anderen Wort konnte die Bibel erschütternder die Furchtbarkeit des ewigen Verlustes Gottes künden als mit dem Wort von der vernichtenden Macht des Feuers, das nicht verlöscht. Das Brennen der Städte, das hinter uns liegt, und das Drohen des atomaren Feuers, das auf uns zukommt, sind unübersehbare Mahnung, im Dunkel der Zeit heimzukehren zu dem Herrn, der gesagt hat: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden, und was wünschte ich mir mehr, als dass ich brenne.“
Sein Feuer ist die starke, selbstlose Liebe, die es allein vermag, Wärme in unsere kalt werdende Welt zu tragen. Sein Feuer erhellt die Welt und lässt sie den Weg finden, der zum Heil führt. Wer von seinem Feuer entzündet ist, wird ein Lichtblick für viele.
Franziskus, der das Loblied des Feuers gesungen hat, war selbst ein Brennender. An ihm haben sich durch all die Jahrhunderte hindurch Menschen zu jener selbstlosen, anspruchslosen Lebensform entzündet, die der einzige Weg ist, auf dem wir aus dem Verhängnis unserer Zeit herausfinden.
Wir haben das Feuer missbraucht, um die Welt zu beherrschen. Wir finden wohl nur zum Heil, wenn wir bereit sind zu dienen. Zu dienen, wie eine Kerze dient und sich still verzehrt, um Licht in die Dunkelheit zu bringen.
Kerzen sprechen auch heute noch zu uns als Künder der Freude und Hoffnung in der Osternacht – Symbol der Auferstehung des Herrn, als Zeichen der Hingabe und als stumme Bitte um die Fülle des Lebens auf den Gräbern unserer Toten. Sie wird nie erlöschen, die Flamme der Hoffnung.
Mutter Erde – unsere Schwester
Lob des Herrn für diese Erde mit ihrer Vielfalt der Formen, mit ihren Bäumen und Früchten und der leuchtenden Schönheit der Blumen – wer müsste es dankbarer sprechen als wir, die wir die ganze Welt bereisen und in wenigen Stunden Kontinente überfliegen können?
Und dennoch scheint uns Gott so fern, dass wir in all der Schönheit der Welt nicht mehr den Glanz seiner Herrlichkeit zu sehen vermögen.
Franziskus hat von der Schönheit der Welt gewiss weniger gesehen als wir. Ihm war das schöne umbrische Land vertraut, mit seinen Hügeln und Hängen voll leuchtendem Ginster. Er hat die dunklen Zypressen geschaut, die den Blick zum blauen, südlichen Himmel lenken. Kastanienbäume mit ihren weitausladenden, schattenspendenden Ästen waren ihm Geschenk eines sorgenden Gottes. Die Pracht der Blumen, im kleinen Garten seiner armen Behausung, konnte er erkennen als Boten des Herrn, der uns zur Freude berufen hat.
Der Mensch, der heute unsere Täler und Dörfer durchwandert, erleben vom frühen Sommer bis zum späten Herbst eine Blüten- und Blumenpracht, wo immer er hinkommt. Und wer die Dörfer zurücklässt und in die Almregion aufsteigt, steht staunend vor dem leuchtend roten Teppich der Almrosen, vor den goldenen Sternen der Arnika oder vor dem lammenden Rot der Feuerlilien abseits begangener Wege. Dies alles wächst aus derselben Erde, die Franziskus „Schwester und Mutter Erde“ nennt. Welche Kraft hat Gott in die Erde gelegt, dass sie solche Wunder an Schönheit, an Formen und Farben hervorbringen darf?
Die staunende Frage ist Lobpreis Gottes. Für den Christen aber wird das Wort des Herrn lebendig: „Betrachtet die Lilien des Feldes! Sie arbeiten nicht und weben nicht und doch ist selbst Salomon in seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen.“
In diesem Zusammenhang steht das Wort: „Wieviel mehr seid ihr als sie!“ Geht uns da nicht das Herz auf und schenkt es uns nicht ein tiefes Vertrauen in die sorgende Güte Gottes? Dieses Bewusstsein, vom unendlichen Gott geführt und gesehen zu werden, gibt uns die Kraft, Gott für die Pracht der Blumen zu preisen.
Wer über die grünen Almböden weitersteigt und über Fels und Eis die hohen Gipfel der Berge erreicht, steht gebannt vor der weiten, erhabenen Schönheit der Welt, die sich ihm auftut. Sie kündet Gottes Größe, die wir erahnen dürfen. Wer Augen hat zu sehen, dem öffnet sich das Herz zum Dank und Preis des unendlichen Gottes für unsere Mutter und Schwester, die Erde.
Ausharren in Frieden
Die Schönheit unserer Welt! Wer noch beim milden Licht der sinkenden Sonne über den Dörfern und Siedlungen der Menschen steht, erlebt eine friedvolle Stunde, die ihn zutiefst beglückt. Kein Lärm, der diesen stillen Frieden stören könnte, dringt vom Tal herauf. Umso schmerzlicher brennt die Erkenntnis, wie sehr der Mensch den Frieden bedroht. Du siehst die Dörfer, hineingebettet in eine friedliche Landschaft, und weißt dennoch, dort leben nicht wenige verfeindet und im Streit wegen Kleinigkeiten. Da leben Familien entzweit wegen einer Erbschaft, da sind verhärtete Herzen, entfremdete Ehepartner. Was nützt die schönste friedliche Landschaft, wenn der Friede im Herzen fehlt?
Darum preist wohl Franziskus am Ende seines Sonnengesanges jene, „die verzeihen um deiner Liebe willen“.
In der Bergpredigt verheißt der Herr den Friedensstiftern, dass sie Kinder Gottes sein werden; Kinder, denen er unsere herrliche Welt übergeben hat, auf dass man sie bebaue und behüte. Selig nennt der Herr die Menschen, die keine Gewalt anwenden.
Und wir? In der kleinen Welt, die uns anvertraut ist, streiten wir um nichtige Dinge. Wir setzen uns mit allen Mitteln und oft auf Kosten der Schwächeren durch – und verfeinden uns. In der großen Welt geht es um den Besitz ganzer Länder, um den Reichtum der Rohstoffe, um den Einfluss auf die Weltwirtschaft und um die Beherrschung der Menschenmassen.
Aber es gilt das Wort des Herrn, dass jene das Land besitzen werden, die keine Gewalt anwenden. Wer Gewalt anwendet, wird endgültig nichts besitzen, sondern zerstören. Die Friedenssehnsucht unserer Zeit ist ein Hoffnungsschimmer, jedoch nur, wenn wir im eigenen Lebensbereich den Frieden suchen und wahren.
Die Friedensstifter werden Kinder Gottes sein!
Kann denn Gott seine Kinder vergessen? Gott, „der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn für sie dahingab“, steht auch über unserer Zeit und gibt diese Welt nicht preis. Der Tod des Herrn am Kreuz ist auch für unsere Zeit die Quelle des Lebens.
Franziskus wusste um die lebensspendende Kraft des Kreuzes. Darum preist er die Kranken, die Kreuzträger, die unter der Last des Kreuzes ausharrenden Menschen. Sie lenken den Segen des Kreuzes in unsere Welt. Franz von Assisi hat selbst mühsam erfahren müssen, Krankheit und Schwachheit auszuhalten und der Not zu begegnen. Dabei trug ihn die lebendige Hoffnung, dass der gute Herr unser zerbrechliches Leben krönen und alle Mühsal mit Freude vergelten wird.
Tod – unser Bruder
Kann man den Tod preisen, ihn als Freund, ja als Bruder erkennen? Ist dies nicht letztlich Resignation, ja Lebensfeindlichkeit, wie man sie der christlichen Religion so gerne vorwirft?
Aber Franziskus bejaht das Leben und die Welt mit solcher Glut, dass ihn Lebensfeindlichkeit wohl nicht veranlasst hat, das Lob des Todes und des Leides zu singen.
Er erkennt und schaut die Schönheit der Welt, die Kraft des Feuers, den Glanz der Sterne, das Glühen der Sonne und das Grünen der Erde, mit einem Herzen, das hinter dieser Welt die Größe und Güte Gottes zu ahnen vermag.
So wird ihm der Tod zum Tor, durch das der Mensch in die unendliche Welt Gottes schreiten kann. Der Glaubende weiß, im Tod begegnet ihm der Herr. Gott ist Mensch geworden und hat die Grenzen des Geschöpfes angenommen bis zur Grenze des Todes. Er hat sie überschritten und steht nun am anderen Ufer unseres Lebens. Dort erwartet uns der Herr mit seiner Liebe, die sich am Kreuz der Welt geschenkt hat. Er ist dem Mensch gleich geworden, damit wir ihm in der Herrlichkeit des neuen Lebens ähnlich werden.
Unsere Lebensaufgabe und Berufung ist es, das Leben auszurichten nach dem Bild des Herrn. Wer darf hoffen, dieser Berufung wirklich folgen zu können? Sind wir nicht eher ein Zerrbild seiner Güte, seiner Selbstlosigkeit, seiner Bereitschaft, dem Willen des Vaters alles hinzugeben? Über den Herrn sagt die Heilige Schrift: „Da er die seinen, die in der Welt waren, liebte, liebt er sie bis zum äußersten.“
Das Äußerste ist der Tod. So wurde Jesus uns im Tode gleich, damit wir in der letzten Stunde unseres Lebens, über alle versäumten Stunden hinweg, die Möglichkeit finden, ihm gleich zu werden und so die Herrlichkeit ewiger Freude zu gewinnen.
Der Herr hat sein Leben für uns in absoluter Freiheit hingegeben. „Ich kann das Leben hingeben und ich kann es nehmen“, steht bei Johannes. So liegt es nun an uns, im Sterben unser Leben bewusst in seine Hände zu legen. Das ist die Kunst christlichen Sterbens. Wenn alle Kräfte schwinden und jede menschliche Hilfe versagt, kann es dann so schwer sein, auf den zu vertrauen, der uns schon am anderen Ufer erwartet?
Das Wissen um den Tod muss demütig machen, und diese Haltung schenkt uns die Kraft, um eine Todesstunde zu bitten, die wir einmal preisen können. Das Sterben mag schwer sein und erfüllt uns mit Angst, doch der Tod ist das Tor in die unendliche Seligkeit der Kinder Gottes.
Dankt und dient ihm mit großer Demut
Franziskus schließt sein wunderbares Loblied für die Herrlichkeiten, die Gott uns schenkt, mit der Aufforderung: „Dankt und dient ihm mit großer Demut!“ Er hatte sich freigekämpft von aller Gier nach Besitz und Reichtum. Er hatte auf jede gesellschaftliche Stellung verzichtet, um sich dem Herrn anzuvertrauen, der „obwohl er Gott war, seine Gottheit nicht festhielt, sondern Knechtsgestalt annahm und den Menschen gleich wurde“.
In diesem Geheimnis seiner Menschwerdung hat Gott die Ursünde des Menschen besiegt, der aus eigener Kraft werden wollte wie Gott. Nun ist uns der Weg erschlossen zur Teilnahme am Leben des unendlichen Gottes – aus Gnade und Erbarmen.
Aber bis zur verheißenen Vollendung der Welt ist auch noch immer das Geheimnis des Bösen am Werk. Immer neu versucht der Mensch in verblendetem Stolz, ein Paradies ohne Gott zu bauen. Die Erkenntnisse der Menschen sind in den letzten Jahren ins Ungeheure gewachsen. Die Möglichkeiten der Technik sind nahezu unbegrenzt. Wehe der Welt, wenn diese Macht in Händen von Menschen liegt, denen Demut fehlt, die sich keinem unendlichen Gott gegenüber verantwortlich wissen!
Die Kenntnis der letzten Bauelemente der Welt wird zur atomaren Bedrohung. Der Vorstoß ins Weltall wird die Vernichtungsgewalt moderner Waffen von dort über die Erde schütten. Die hemmungslos wachsende Technik zerstört die Wälder, verdirbt die Luft und verpestet die Meere.
Die Nachrichtentechnik ist imstande, dem Menschen den letzten Freiraum zu rauben. Kein Wort kann er sprechen, das nicht abgehört werden könnte. Chemie und Biologie aber greifen nach dem Menschen selbst. Die Möglichkeit, den Menschen beliebig zu züchten, ist greifbar nahe. Solche Entwicklungen sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Uns bleibt nur der Weg nach vorne, der Weg zum Herrn, um seine rettende Hand in Demut zu ergreifen.
Noch nie war der Mensch so allumfassend bedroht wie heute. Diese Erkenntnis ist nicht Pessimismus, sondern bittere Realität. Doch stärker als alles, was wir fürchten, ist die Realität der Gnade, des Erbarmens unseres Herrn.
Er hat den Tod besiegt und als Auferstandener das Wort gesprochen: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden und ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Er wird diese Welt nicht zugrunde gehen lassen, die er durch sein Kommen für immer geheiligt hat. Er kann und wird uns Wege führen, die das Leben retten. Darum dankt und dient ihm mit großer Demut!
Alles rund um Franz von Assisi:
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