Johannisminne trinken
Der heutige Tag ist dem Heiligen Johannes geweiht. Das Trinken der „Johannis-Minne“ war (gewöhnlich am Fest dieses Evangelisten am 27.12.) in vielen Landstrichen verbreitet. Der Brauch geht auf die alten heidnischen Trankopfer (Libationen) zu Ehren der Götter zurück. Solche Opfer waren u. a. bei den Griechen und bei den Germanen üblich. Auch die Libationen für die Toten mögen eine Rolle gespielt haben.
Die Christen des Mittelalters machten daraus das „Trinken im Namen der Heiligen“ („bibere in nominibus santorum“) und der Engel. Bekannte Engel- und Heiligenminnen waren die Michaelsminne und die Martinsminne, die Gertrudenminne, die Benediktsminne und die so verbreitete Ulrichsminne, die Minne zu Ehren des Heiligen Bernhard, des Heiligen Stephan (die im Kapitular Karls des Großen eigens genannt wird), endlich des Heiligen Sebastian. Solche Minnen waren oft nicht mehr als Trinkgelage, so dass viele Bischöfe, wie etwa Caesarius von Arles, die Gläubigen dringend davor warnten. Zeno von Verona und Gaudentius von Brescia wollten die Teilnehmer solcher Minnen sogar von der kirchlichen Gemeinschaft ausschließen.
Besondere Bedeutung erhielt jedoch die Johannisminne – wohl aufgrund der Legende, nach welcher der Heilige Johannes einen Giftbecher ausgetrunken habe, ohne Schaden zu nehmen, und nach der er durch den Giftbecher getötete Schwerverbrecher wieder ins Leben zurückrief. Der Johanniswein wurde an seinem Festtag in der Kirche geweiht und zur Abwehr von Gift und Zauber getrunken, aber auch für die Gesundheit von Mensch und Vieh, zum Segen der Felder, bei Hochzeit und Versöhnung und nicht zuletzt auch als Vorbereitung auf den Tod.
Solche „Johannisminne“ gab es auch am Tage Johannes des Täufers (Johannistag am 24.06.). Wir begegnen ihr schon im 10. Jahrhundert in Liudprands Legartio.
Bedeutender aber war die Minne zu Ehren des Evangelisten Johannes. Ihr zeitlicher Ursprung ist dunkel. Wahrscheinlich gehört sie zu den Minnen jener Heiligen, die schon bei Caesarius von Arles (470–542) erwähnt werden. Auch die Zeit der christlichen Legitimierung ist unbekannt. Jedenfalls kennen wir Weiheformulare für die Johannisminne erst aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts. Eine kirchliche Johannisminne dürfte auch in Deutschland erst im 12. Jahrhundert aufgekommen sein.
Der Brauch jedoch ist auch hier viel älter. Vor dem Kampf und zum Abschied wird dem Ritter die Johannisminne gereicht. So hat der Teufel keine Macht mehr über den Ritter und ruft:
Hättest du den letzten Trunk nicht gethan,
wie würde ich mit dir getanzet han,
mit dir und deinen Gesellen,
zur Hellen mit dir und deinen Gesellen!
Auch zur Eheschließung und bei anderen Anlässen wurde der Johannes-Wein gereicht. So ist verständlich, dass er nach manchen Ritualien an jedem beliebigen Tag geweiht werden konnte. Auch an Festtagen wurde die „Johannisminne“ gereicht. So ist sie in St. Emmeram in Regensburg im frühen 16. Jahrhundert am 1. Januar getrunken worden „für ein glückliches neues Jahr“.
Der Brauch ist weithin ein deutscher Brauch geblieben. Er muss bald sehr beliebt gewesen sein. 1479 ist er in Hof und Ansbach belegt. Eine Urkunde aus dem oberfränkischen Schönbrunn zeigt ihn schon 1484 als üblichen Brauch. In Coburg ist er heimisch. Das beweist ein Eintrag 1490: „12 dn (Pfennig) vor 3 kasten weins an sandt Johannstag sand Johanns lib den leuten geben.“ Und in der „Hofer Chronik“ des Enoch Widmann heißt es: „An s. Johannes des evangelisten tag, weil er ohne schaden gift getrunken, trank man des Johannes segen oder Johannes trunk, nemlich einen bitteren wermutweid oder dergleichen, etwan mit kren, zuvor uf dem altar geweihet.“
Johanniswein in der jüngeren Zeit
Der Brauch war nur noch selten gepflegt worden. Nach dem zweiten Weltkrieg haben ihn einige Pfarren neu belebt. Die Gläubigen bringen ihren Wein zum Gottesdienst mit und lassen ihn weihen. Zu Hause wird er dann im Familienkreis getrunken oder für besondere Fälle (etwa Hochzeiten) aufgehoben. Man trinkt einander zu mit den Worten: „Trinket die Liebe des Heiligen Johannes!“ In einigen Pfarreien wird der geweihte Wein nach dem Gottesdienst an die Gläubigen ausgeschenkt (so etwa in der Ramsau oder in Loipl bei Berchtesgaden).
Im Brauch wird eine Brücke zwischen Altar und Haus geschlagen, zwischen dem Heiligen (dem „fanum“) und dem Profanen. Wenn darüber hinaus die Liebe des Apostels neu erfahren und der Glaube gestärkt wird, durch solche Liebe gegen alles Gift gefeit zu sein, das unser Leben verdirbt, so ist der Brauch sinnvoll und verdient, gepflegt zu werden.
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