Das Schauspiel der Passion am "Heiligen Grab"
Ursprung und Entwicklung
Das geistliche Schauspiel des Mittelalters hat seinen Ursprung in der Osterliturgie („Osterfeier“). Dabei kam von Anfang an ein mittelalterliches Stilmittel des Kirchengesangs (genannt „Tropus“) zum Einsatz, das aus Fragen und Antworten besteht. Darin wurde „die Verkündigung der Auferstehungsbotschaft durch den Engel am Grabe Jesu an die Frauen, die seinen Leichnam salben wollen“ beschrieben.
Aus diesem in frühen Zeiten am Beginn, später am Ende des Ostertages gespielten Tropus entwickelten sich die beliebten Passions- und Osterspiele des Mittelalters und der Neuzeit. Ursprünglich eng mit der (lateinischen) Liturgie verbunden, wurden sie ab etwa 1200 in die deutsche Sprache übersetzt. Über viele Zwischenstufen entstanden schließlich die großen Passionsspiele, die nur noch lose mit der Liturgie verknüpft sind oder gänzlich davon losgelöst wurden. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Passionsspiele von Oberammergau.
Inhalt
Eines der ältesten Osterspiele aus dem 10. Jahrhundert stammt aus England. Dem liturgischen Brauch nach umfasst es vier „liturgische Darstellungen“:
- die adoratio crucis – die Verehrung des Kreuzes
- die deposito crusis – die „Grablegung“ des Kreuzes
- die visitatio crucis – der Besuch und das Anschauen des Kreuzes
- die elevatio crucis – die Erhebung des Kreuzes (aus dem Grab)
Kreuzverehrung
Die Verehrung des Kreuzes („adoratio crucis“) – sei es als Einzelperson oder als Gemeinschaftsritual der Gemeinde – stellt bis zum heutigen Tag einen unverzichtbaren Teil der Liturgie am Karfreitag dar. Dabei ist das enthüllte Kreuz über der Gemeinde aufgerichtet.
› Informationen zur Kreuzverhüllung
Grablegung
Die „deposito crucis“ fand in vergangenen Zeiten als Grablegung des Kreuzes statt, wobei im Laufe der Jahrhunderte das Kreuz durch eine geschnitzte Darstellung des Corpus Christi ausgetauscht wurde.
Besuch
Das „Heilige Grab“ erfreute sich großer Beliebtheit unter den Menschen. Am Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe Jesu, war die Kirche von zahlreichen Gläubigen bevölkert, die zur „visitatio crucis“ das Heilige Grab aufsuchten und an diesem Ort ihre Gebete verrichteten. Besonders im südlichen deutschsprachigen Raum trafen die Menschen zu diesem Anlass ein festlich geschmücktes „Grab“ an. Die Lichtquelle – das Kerzenlicht – wurde durch „Grabkugeln“ gedämpft – dabei handelte es sich um farbige oder mit gefärbtem Wasser gefüllte Glaskugeln.
Vermutlich im 10. Jahrhundert wurden erstmals heilige Gräber errichtet, in denen ein Kreuz oder dessen Heilandsfigur (Corpus Christi) lag.
Bisweilen wurden im Heiligen Grab die Hostien, die nach der Karfreitagskommunion übrig waren, aufbewahrt – gelegentlich in einer Öffnung (Wunde) der Grablegungsfigur. Da diese Hostien am Ostersonntag in einer feierlichen Zeremonie „erhoben“ wurden, entwickelte sich allmählich die Tradition, das Heilige Sakrament anstelle des Kreuzes zu setzen.
Im Laufe der Zeit wurde es im Süden üblich, während der gesamten „Vierzig Stunden“ der Grabesruhe das Allerheiligste in einer Monstranz feierlich auszustellen. Um den besonderen Charakter der Kartage zu bewahren, war und ist die Monstranz dabei stets verhüllt.
Das Aufstellen der Monstranz mit dem Allerheiligsten im Heiligen Grab oder in Verbindung damit wurde später durch römische und bischöfliche Veröffentlichungen untersagt, da es sich um eine gegensätzliche Symbolik handelt und somit der Brauch verfälscht wird.
Erhebung
Bei der „elevatio crucis“ wurde am Ostermorgen die Grablegungsfigur feierlich erhoben – später dann auch die Monstranz.
Bedeutung des Brauchtums und der Kartage heutzutage
Diese alten Osterfeiern und Osterspiele sind heutzutage viel weniger gebräuchlich als Weihnachts- bzw. Krippenspiele. Denn Passionsspiele sind eine umstrittene Angelegenheit: Auf der einen Seite ist das „Spiel“ mit dem Kreuz ein sensibles Thema. Andererseits kann diese bildliche Darstellung den Menschen die Passions- und Ostergeschehnisse auf anschauliche Weise näher bringen.
Es ist sinnvoll, sorgfältig über die Ausführung der vier traditionellen „liturgischen Darstellungen“, insbesondere während der Karwoche, nachzudenken.
Wichtig ist es vor allem, die Anbetung des enthüllten Kreuzes („adoratio crucis“) am Karfreitag sehr ernst zu nehmen und den Gläubigen Anbetungszeiten in Stille (möglichst auch kniend) zu ermöglichen.
Der Karsamstag – und damit die Grablegung („depositio crucis“) – spielt zunehmend eine unbedeutendere Rolle. Dieser Bestandteil findet jedoch durchaus in der Karfreitagsliturgie ihren Platz und das Kreuz im Grab bzw. die Grabfigur kann den Karsamstag über zum Besuch („visitatio crucis“) frei zugänglich sein.
Für eine feierliche „elevatio crucis“ könnte das im Grab befindliche Kreuz (ohne Corpus) nach der Lichtfeier der Osternacht erhoben werden und anschließend die Osternachtsliturgie fortgeführt werden.
Weiterführendes:
› Brauchtum in der Fasten-/ Passionszeit, der Karwoche und zu Ostern
› Deko- und Geschenkideen für das Osterfest
› Literatur zur Vorbereitung von Gottesdiensten in der Osterzeit
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